Der Osten holt auf Internetversorgung im rechtsrheinischen Sieg-Kreis

RHEIN-SIEG-KREIS · Die Abdeckung mit Breitbandanschlüssen steigt auch in den ländlichen Regionen des Kreises. Noch vor kurzer Zeit hat es gehakt und geruckelt, wenn Benjamin Häfner sich von Windeck aus per Fernwartung auf den Computer eines Kunden schaltete, um diesem bei einem Problem zu helfen. Seit Anfang dieses Jahres hat der IT-Experte der Windecker WMV Apparatebau GmbH diese Probleme nicht mehr.

"Statt 3000er DSL haben wir jetzt eine 50 000er-Leitung", berichtet er. "Das erleichtert die Arbeit natürlich enorm - und wirkt sich letztlich auch positiv aufs Geschäft aus."

Der Grund für die rasante Beschleunigung: Der Netzanbieter Netcologne hat seit Beginn 2014 in Kooperation mit der Gemeinde ein eigenes Glasfasernetz in Windeck verbaut und damit dafür gesorgt, dass die 18 000-Einwohner-Gemeinde im Osten des Rhein-Sieg-Kreises inzwischen eine nahezu vollständige Abdeckung mit schnellem Internet bieten kann - anders als die neuesten Zahlen des EU-geförderten Beratungsangebots BreitbandConsulting.NRW des Landeswirtschaftsministeriums vermuten lassen: Dort wird die Abdeckung mit Datenübertragungsraten von mehr als 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) mit 0 Prozent angegeben.

Mehr als 16 Mbit/s seien in Windeck nur zu 15 Prozent gegeben, gut zwei Drittel erreichten demnach mehr als sechs Mbit/s - bei zwei Mbit/s (das entspricht DSL 2000) wird von Grundversorgung gesprochen.

Auf Nachfrage räumte Carsten Pütz von BreitbandConsulting.NRW ein, dass die Windecker Zahlen nicht aktuell zu sein scheinen: "Wir bekommen die Daten vom Tüv Rheinland, bei dem ich jetzt eine Prüfanfrage gestellt habe", sagte er dem GA. "Es ist möglich, dass ein Anbieter vor Ort die Daten noch nicht geliefert hat."

"Die Zahlen sind nicht aktuell", sagt auch Windecks Bürgermeister Hans-Christian Lehmann. Seine Gemeinde habe 2010 eine Machbarkeitsstudie zum Breitbandausbau in Auftrag gegeben und nutze Fördermittel des NRW-Programms "Ländlicher Raum 2007-2013". In diesem Jahr sei unter Anwendung einer Hybrid-Lösung aus Funk und Glasfaser eine Fördermaßnahme verlängert worden.

Ende 2014 sollen 97,7 Prozent der Windecker Haushalte mit nutzbaren Bandbreiten versorgt sein. Nur noch 270 von 11 774 Haushalten gelten als unterversorgt, dies seien kleine Weiler oder Einzelgehöfte im Außenbereich. "Gerade für uns hier im östlichen Kreis ist es besonders wichtig, gute Internetverbindungen anbieten zu können, um nicht abgehängt zu werden", sagt Lehmann.

Auch Landrat Sebastian Schuster misst dem Ausbau der DSL-Netze im gesamten Kreis große Bedeutung zu: "Schnelles Internet ist ein klarer Standortvorteil und steigert die Attraktivität einer Region sowohl für Unternehmen als auch für die Bürger. In einer Welt, in der Wirtschaft und Menschen immer stärker über das Internet kommunizieren, ist der DSL-Ausbau unverzichtbar."

In weiten Teilen des rechtsrheinischen Kreisgebiets besteht, anders als links des Rheins, wenig Anlass zur Klage, was die Breitbandversorgung betrifft. Tatsächlich sind es vor allem ländliche Kommunen wie Eitorf und Neunkirchen-Seelscheid, wo die Versorgung mäßig ist. In der Kreisstadt Siegburg und der zweitgrößten Stadt, Sankt Augustin, verfügen hingegen laut Breitband NRW jeweils 93 Prozent der Haushalte über die Möglichkeit, mit mindestens 50 Mbit/s surfen zu können. Die größte Stadt des Kreises, Troisdorf, hinkt da mit 87 Prozent leicht hinterher. In Niederkassel können immerhin 71 Prozent auf sehr schnelle Datengeschwindigkeiten hoffen.

In Hennef ergibt sich ein durchmischtes Bild: Nahezu überall in der Stadt sind mehr als sechs Mbit/s verfügbar, Übertragungsgeschwindigkeiten von mehr als 50 Mbit/s sind aber in weniger als der Hälfte (44 Prozent) der Haushalte drin. Während es in der Innenstadt Raten von bis zu 150 Mbit/s gebe und im Neubaugebiet Siegbogen und in Söven die meisten Haushalte mit 50 Mbit/s surfen könnten, werde derzeit für das bisher unterversorgte Gebiet Eulenberg, Wellesberg und Hanf noch nach einer Lösung gesucht, erklärt Wolfgang Rossenbach, IT-Leiter und Breitband-Beauftragter bei der Stadt Hennef.

Weil Glasfaser und die entsprechenden Verteilerkästen teuer seien, würden mittlerweile Glasfaserkabel teils wieder überirdisch verlegt. "Durch die großen Entfernungen, die wir hier zurücklegen müssen, ist es schwierig, die Außenbezirke mit schnellem Internet zu versorgen", sagt Rossenbach. Er sei jedoch zuversichtlich: "Bis Ende 2015 werden wir für 99 Prozent der Haushalte mindestens 16 Megabit anbieten können."

Kurz gefragt

Schnelle DSL-Verbindungen sind ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen. Mit dem Wirtschaftsförderer des Rhein-Sieg-Kreises, Hermann Tengler, sprach Hans-Peter Fuß.

Sind Sie mit der DSL-Versorgung im Kreis zufrieden?
Hermann Tengler: Entlang des Rheins ist die Versorgung gut bis sehr gut. Am schlechtesten versorgt ist der östliche Kreis. Wir sprechen von "digitaler Spaltung" zwischen Ballungszentren und dem ländlichen Raum.

Woran liegt das?
Tengler: Die Kosten für die Versorgung des ländlichen Raums sind hoch. Im östlichen Kreis haben wir viele Streusiedlungen und Betriebe in Einzellagen.

Welche Auswirkung hat dies für ansiedlungswillige Firmen?
Tengler: Die Firmen schauen sich an, welche Qualität die Breitbandversorgung hat. Man kann das mit der Straßenanbindung vergleichen. Existiert keine Zufahrt, ist das Unternehmen "abgeschnitten". Ich kenne kein Unternehmen im Kreis, das nicht auf gute DSL-Verbindungen angewiesen ist. Durch schlechte Verbindungen verlieren Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit und wechseln irgendwann den Standort.

Was tun Sie, um das zu verhindern?
Tengler: Wir versuchen, Kooperationen zwischen Netzbetreibern, Energieversorgern und Kommunen zustande zu bringen. Wir beraten die Kommunen auch über Fördermöglichkeiten. Aber diese Programme hinken der Wirklichkeit hinterher. Als förderfähig gelten nur Standorte mit weniger als zwei Mbit/s, aber das reicht bei Weitem nicht mehr.

Wie groß sollte die Leistungsstärke denn sein?
Tengler: Ziel der Bundesregierung ist es, bis zum Jahr 2018 flächendeckend 50 Mbit/s zu ermöglichen. Dazu sind Investitionen von 20 Milliarden Euro notwendig.

Welche Branchen sind besonders betroffen?
Tengler: In der Industrie oder in Planungsbüros, wo mit riesigen Datenmengen gearbeitet wird, sind 50 Mbit/s heute Mindesterfordernis. Auf mittlere Sicht werden es 100 Mbit/s und mehr sein.

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