Digitales Informationssystem am Bonner Gemeinschaftskrankenhaus Jetzt kommt der Arzt mit Tablet zur Visite

BONN · Assistenzärztin Gesa Stöhr hat beim Dienst im Bonner Gemeinschaftskrankenhaus am Bonner Talweg ihr iPad mini stets griffbereit in der Tasche ihres Ärztekittels. Die Zeit der großen grauen Patientenakten aus Papier und der Wägelchen, auf denen die Akten bei der Visite über die Station geschoben werden, sind für das Gemeinschaftskrankenhaus Bonn demnächst vorbei.

 Erklärungen der Befunde werden verständlicher, wenn man sie anschaut: Assistenzärztin Gesa Stöhr mit einer Patientin.

Erklärungen der Befunde werden verständlicher, wenn man sie anschaut: Assistenzärztin Gesa Stöhr mit einer Patientin.

Foto: Roland Kohls

Die 150 Ärzte und 450 Pflegekräfte arbeiten seit vergangenem Herbst mit digitalen Befunden und Diagnosen. Rund eine halbe Million Euro hat das Innenstadtkrankenhaus mit 445 Betten und einem Umsatz von 94 Millionen Euro im Jahr investiert, um von der Deutschen Telekom das Informationssystem und die App iMedOne Mobile zu kaufen. "Ältere Patienten waren am Anfang ein wenig irritiert, wenn wir ihnen Röntgenbilder auf dem iPad gezeigt haben", berichtet Stöhr. Aber das habe sich schnell gegeben.

Kosten senken und die gleichzeitig die Qualität verbessern

"Für uns ist das mobile Arbeiten ein wichtiger Schritt, damit wir effizienter werden, Kosten senken und gleichzeitig die Qualität verbessern", sagte Klaus-Werner Szesik, Kaufmännischer Direktor des Gemeinschaftskrankenhauses Bonn, am Montag. Angesichts des wirtschaftlichen Drucks, unter dem alle Krankenhäuser derzeit stehen, sei das Projekt "Mobile Visite", mit großen Hoffnungen verbunden. 200 iPad minis für Ärzte und Pflegepersonal hat das Krankenhaus. Jede Station im Gemeinschaftskrankenhaus verfügt über sechs Geräte: Jeweils drei für Ärzte und drei für das Pflegepersonal. Hat ein Mitarbeiter des Pflegedienstes seine Schicht beendet, reicht er sein Gerät einfach weiter. Die Mitarbeiter tragen die Tablets ständig bei sich. Dies vermeide das aufwendige Suchen nach Papierakten. "80 Prozent der Umstellung haben wir bereits geschafft", sagte Textor.

Viele Informationen erfassen die Ärzte und das Pflegepersonal direkt am Patientenbett. Das spare einen Arbeitsschritt. Außerdem könnten Ärzte ihren Patienten per iPad mini Befunde besser erklären. Außerdem entstehen keine Fehler, weil die Handschrift des Kollegen schlecht lesbar ist. Die Ärzte führen online einen Arzneimitteltherapie-Sicherheitscheck durch, um Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auszuschließen. "80 Prozent der Behandlungsfehler entstehen durch falsche Medikation", sagt Jochen Textor, Ärztlicher Direktor des Gemeinschaftskrankenhause. Auch sehe er eine Verbesserung der hygienischen Bedingungen, da sich die Tablets besser desinfizieren ließen als Papier.

35. Klinik in Deutschland, die die Telekom mit den Ärzte-Tablets ausgerüstet hat

Die Telekom hat bereits 2010 das Gesundheitswesen zu einem ihrer Wachstumsfelder erklärt. Sowohl bei der Gesundheit als auch beim Automobil- und dem Energiesektor investiert das Bonner Unternehmen derzeit massiv in die digitalen Entwicklungen. Für das Gesundheitswesen hat sich die Telekom Ende 2013 durch einen Zukauf für das Wachstum gerüstet und das Healthcare IT-Geschäft der BrightOne GmbH erworben. BrightOne ist Hersteller des Krankenhausinformationssystems iMedOne.

"Der Gesundheitsbereich hat bei der Digitalisierung noch Nachholbedarf", sagte gestern Timotheus Höttges, Vorstandschef der Telekom. Er liege im Vergleich zur Automobilindustrie um mehrere Jahre zurück. Dabei würden gerade digitalen Dienste helfen, die medizinische Versorgung zu optimieren. Seine Frau sei auch Ärztin. Sie würde alles in Kürzeln notieren. Das könne computergestützt einfacher sein. Datenschutzaspekten müsse im Gesundheitswesen natürlich besonders Rechnung getragen werden, so Höttges. Deswegen werden die Verschlüsselung der übertragenen Daten sichergestellt.

Nächster Schritt: Eine Diktierfunktion fürs Tablet?

Der Ausbau der Gesundheitssparte gehört bei der Telekom auch zur strategischen Neuausrichtung ihrer Geschäftskundensparte: T-Systems soll verstärkt auf lukrative digitale Geschäftsmodelle rund um Cloud, Sicherheit, vernetztes Auto und E-Health setzen. So digitalisiert die Telekom Healthcare Solutions die Bearbeitung von Eingangsrechnungen der Krankenhäuser der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.

Bislang werden im Bonner Gemeinschaftskrankenhaus die Entlassungspapiere noch herkömmlich auf Papier ausgefertigt. Auch die Eingangsberichte, mit denen die Patienten kommen, werden einfach eingescannt. Die digitale Übermittlung von Arzt zu Arzt ist noch nicht in der Praxis angekommen. Dass konkurrierende Systeme miteinander kommunizieren können, daran werde gearbeitet, hieß es bei der Telekom.

Und noch etwas wünscht sich Assistenzärztin Stöhr: Eine Diktierfunktion für das Tablet. Denn das Tippen längerer Texte sei auf dem Tablet doch etwas umständlich. Unwahrscheinlich ist die Ausweiterung nicht: Die Diktierfunktion der Software ist bei anderen Krankenhäusern, die das Telekom-System gekauft haben, bereits in Einsatz.

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