Juristen aus der Region fordern Verbesserung von Insolvenzverfahren

"In Deutschland entstehen extrem hohe Schäden durch schlechte Insolvenzverwalter". Juristen aus Bonn und Remagen haben Vereine gegründet, die einerseits Gläubiger in Insolvenzverfahren besser schützen sollen, aber auch zum Ziel haben, die Verfahren insgesamt zu verbessern.

Juristen aus der Region fordern Verbesserung von Insolvenzverfahren
Foto: dpa

Bonn/Remagen. Wenn ein Unternehmen in Deutschland in die Pleite rutscht, schauen die Gläubiger häufig in die Röhre. Von einer unbezahlten Rechnung über 100 Euro werden am Ende im Schnitt 3,60 Euro aus der Insolvenzmasse beglichen. Das hat das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn ermittelt.

Juristen in Bonn und Remagen haben unabhängig voneinander Vereine gegründet, die einerseits Gläubiger in Insolvenzverfahren besser schützen sollen, aber auch zum Ziel haben, die Verfahren insgesamt zu verbessern. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Reform des Insolvenzrechts.

"In Deutschland entstehen extrem hohe Schäden durch schlechte Insolvenzverwalter", sagt Hans Haarmeyer, auf Insolvenzrecht spezialisierter Professor am RheinAhrCampus-Remagen, der selbst 20 Jahre lang als Richter auch in Insolvenzsachen tätig war. Haarmeyer sieht erhebliche Qualitätsunterschiede in den Insolvenzverfahren.

Untersuchungen hätten ergeben, dass bis zu 80 Prozent der ursprünglich noch vorhandenen Masse durch die Verfahrenskosten aufgefressen werden - etwa durch teure Prozesse. Haarmeyers Kritik: Der Amtsrichter, der den Insolvenzverwalter bestellt, kenne das Unternehmen in der Regel nicht und habe auch keine Erfahrung in Betriebswirtschaft.

"Der Amtsrichter bestellt einen Insolvenzverwalter, den er kennt. Inwieweit dieser Fähigkeiten besitzt und für das Unternehmen der geeignete Mann ist, kann er aber eigentlich gar nicht beurteilen. Das Ganze ist im Prinzip ein 'Blind Date'."

In deutschen Insolvenzverfahren, wo es unter Umständen um hunderte Arbeitsplätze und Millionensummen geht, werde gegen eine der wichtigsten Regeln der Wirtschaft verstoßen: "Wir brauchen dringend auch hier das Vier-Augen-Prinzip", fordert Haarmeyer. Seitdem dieses etwa in Spanien eingeführt wurde, seien die Ausschüttungsquoten deutlich gestiegen.

"Wer kontrolliert eigentlich den Insolvenzverwalter?" fragt auch Barbara Brenner. Die Bonner Rechtsanwältin hat vor drei Jahren den KSI Internationalen Verein für Kreditschutz und Insolvenzrecht gegründet. Ziel des Vereins sei es, bei Insolvenzen die Interessen derjenigen Gläubiger, die keine Sicherheiten haben, besser zu vertreten.

"Ein Problem ist, dass sich die Gläubiger untereinander meist gar nicht kennen", sagt Brenner. Viele seien dann bei den Gläubigerversammlungen gar nicht vertreten. Ursache sei auch, dass eine erste Ausschüttung erst nach Monaten erfolge und in der Regel minimal sei. Brenner: "Das sind gefühlte Null Prozent."

Da hätten viele Gläubiger den Eindruck, es lohne sich überhaupt nicht. Die Statistik gibt Haarmeyer und Brenner Recht. So gehen laut Institut für Mittelstandsforschung bei knapp zwei Dritteln aller Firmenpleiten die Gläubiger komplett leer aus.

In anderen Ländern seien Insolvenzverfahren besser geregelt, sagt Brenner. In Frankreich würden die Verfahren nicht vor Gericht, sondern bei den Industrie- und Handelskammern abgewickelt, in anderen Ländern wie Österreich seien die Ausschüttungsquoten wesentlich höher.

Immerhin hat es auch in Deutschland Fortschritte gegeben: Beim sogenannten Insolvenzplanverfahren, das meist eine Eigensanierung vorbereitet, liegt die Ausschüttungsquote bei durchschnittlich 13 bis 60 Prozent, je nach Rechtsform des Unternehmens.

"Das Insolvenzrecht muss weiter reformiert werden", fordert auch Brenner. Europäische Harmonisierung und Professionalisierung sind Anliegen, die sie auch in Berlin vorbringt: "Insolvenzrichter sollte eine Karrierestelle sein."

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