Umfrage der Industrie- und Handelskammer "Klassischer Einzelhandel hat es schwer"

BONN · Die Wirtschaft in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis setzt ihren Wachstumskurs im fünften Jahr in Folge fort. Das war gestern die gute Nachricht, die Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK), aus der Auswertung der jüngsten Umfrage unter 1200 Unternehmen in der Region ziehen konnte.

 Der Einzelhandel hat es derzeit schwer: Eine Schuhauslage in der Bonner Wenzelgasse.

Der Einzelhandel hat es derzeit schwer: Eine Schuhauslage in der Bonner Wenzelgasse.

Foto: Barbara Frommann

Die Entwicklung in den einzelnen Branchen läuft allerdings differenziert. Unter besonderer Beobachtung steht der Einzelhandel. Absehbare Verkehrsprobleme in Bonn durch Baustellen wie etwa auf der Nordbrücke, geplante Factory Outlets wie in Bad Münstereifel und Königswinter, fehlender Parkraum wegen geschlossener Tiefgaragen wie der Bonner Unigarage und nicht zuletzt der Internethandel stellen viele Geschäftsinhaber vor besondere Herausforderungen.

Das ist auch an den Umfrageergebnissen abzulesen. "Saisonaler Aufschwung" nennt die IHK vorsichtig die allgemeine Verbesserung der Geschäftserwartungen im örtlichen Einzelhandel. Immerhin ist der Branchenindikator seit der letzten Umfrage zu Jahresbeginn von 108,8 auf 118,7 Punkte gestiegen. Auch hier gibt es also mehr Optimisten als Pessimisten. Doch in der Branche öffnet sich eine Schere zwischen Geschäften, denen vielleicht auch bestimmte Trends entgegenkommen und solchen, die mit dem Strukturwandel und örtlichen Widrigkeiten nicht klarkommen. "Einigen geht es richtig gut, vielen aber auch schlecht", kennzeichnet Hille die Lage.

Indiz dafür: Fast jeder fünfte befragte Einzelhändler beurteilt seine Geschäftslage als schlecht, dieser Anteil hat sich seit Jahresbeginn nahezu verdoppelt. Jeder fünfte Einzelhändler geht darüber hinaus von Stellenabbau aus.

"Der klassische Einzelhandel hat es in den Innenstädten immer schwerer", begründete Hille die Umfragewerte. Tatsächliche oder auch nur befürchtete Verkehrs- und Parkprobleme hätten beispielsweise in Bonn dazu beigetragen, dass Frequenz- und Kundenströme in der Innenstadt zurückgegangen seien. "Der Bonner Einzelhandel macht sich Sorgen." Auch die Diskussion um Factory Outlets wie in Bad Münstereifel und Königswinter verunsichere viele Händler. Die IHK selbst werde die Entwicklung in Königswinter mit Gutachten begleiten, sagte Hille. "Für ein Urteil ist es noch zu früh". Damit ruderte der IHK-Chef gestern ein Stück weit zurück. Im Februar hatte sich IHK-Präsident Wolfgang Grießl noch klar für ein Factory Outlet in Königswinter ausgesprochen: "Eine Belebung würde der Stadt guttun."

Der Umfrage zufolge klagen viele Branchen in der Region über Fachkräftemangel. "Damit sind zum Beispiel auch Lkw-Fahrer und Busfahrer gemeint", sagte Hille. Es gehe keineswegs nur um Ingenieure oder andere Akademiker. Zwar kämen durch die Zuwanderung aus Osteuropa auch Fachkräfte in die Region. "Eine Schwemme registrieren wir aber nicht." Zudem seien Sprachprobleme häufig ein Hinderungsgrund.

IHK-Konjunkturumfrage

Die IHK Bonn/Rhein-Sieg erhebt dreimal jährlich Konjunkturklimaindikatoren für verschiedene Branchen in der Region. Dazu befragt sie eine Auswahl von 1200 ihrer rund 56 000 Mitgliedsfirmen zur Geschäftslage und den Geschäftserwartungen. Gut 300 Unternehmen antworten. Der Klimaindikator ist der Mittelwert aus Lage und Erwartungen. Nimmt er zu, zieht die Konjunktur tendenziell an, nimmt er ab, verschlechtert sich die wirtschaftliche Entwicklung.

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