Bad Honnefer WIK-Institut "Kunden haben sich an Flatrates gewöhnt"

BAD HONNEF · Aus dem Bundes-Postministerium sind nach der Privatisierung die Konzerne Post und Telekom entstanden. Wie der Wettbewerb in den ehemaligen Monopolmärkten gefördert werden kann, erforscht seit mehr als 30 Jahren das Bad Honnefer Beratungsinstitut WIK. Die Geschäftsführer Karl-Heinz Neumann und Post-Experten Alex Dieke vom Bad Honnefer WIK-Instituts beobachten Post und Telekom im Wettbewerb - und sagen im Interview, wem Billigpreise schaden.

 Karl-Heinz Neumann (links) und Alex Dieke in der Bibliothek des Bad Honnefer WIK.

Karl-Heinz Neumann (links) und Alex Dieke in der Bibliothek des Bad Honnefer WIK.

Foto: Frank Homann

Auch Jahre nach der Privatisierung der Post ist der Wettbewerb auf dem Briefmarkt nach wie vor gering. Was sind die Gründe?
Alex Dieke: Der Marktanteil der Post-Wettbewerber stagniert bei etwa zehn Prozent. Das hört sich zwar gering an, ist aber im internationalen Vergleich ein eher hoher Anteil.

Jetzt soll es einen erneuten Anlauf zur Reform des Postgesetzes geben. Können andere Rahmenbedingungen die Chancen für Post-Wettbewerber auf dem Briefmarkt verbessern?
Dieke: Es gibt sicherlich ein paar Stellen, an denen wettbewerbsfreundlichere Regeln getroffen werden könnten, zum Beispiel bei den Beschwerderechten für Post-Konkurrenten oder einer Gleichstellung bei der Mehrwertsteuer. Aber die wettbewerbsfreundlichste Regulierung würde auf dem Briefmarkt keine Situation wie etwa bei Mobilfunk schaffen.

Was sind die wichtigsten Hindernisse?
Dieke: Briefzustellung lohnt sich wirtschaftlich erst ab einem bestimmten Aufkommen. Für den Markteinstieg kommen nur Geschäftskunden aus bestimmten Branchen in Frage. Da ist in jeder Region nur Platz für zwei, höchstens drei Briefzusteller - und manchmal nur für die Post.

Die Telekom scheint stärker als ihre ehemalige Schwester Post im Fokus der Regulierer zu stehen.
Karl-Heinz Neumann: Nach der Entscheidung, das frühere Postministerium zu privatisieren, gab es eine politische Vereinbarung, zuerst die Regeln für die Telekommunikation aufzustellen. Die Post sollte folgen. Sie konnte beobachten, wie der Telekommunikationsmarkt reguliert wurde und daraus Schlüsse für die eigene Strategie ziehen. Sie konnte von den Fehlern der Telekom lernen. Zum anderen bietet der Postmarkt weniger Einstiegsmöglichkeiten für Wettbewerber als der Telekommunikationsmarkt und wird daher auch weniger reguliert.

Auch ihre weitgehende Monopolstellung rettet die Post nicht vor Rückgängen im Briefgeschäft. Welche Chancen räumen sie Ersatzprodukten wie dem E-Postbrief als besonders sicherer Form der E-Mail ein?
Dieke: Die Erfolgsaussichten des E-Postbriefs und dessen Konkurrenzprodukt De-Mail der Telekom beurteile ich skeptisch. Es ist bezeichnend, dass die Post bisher keine Zahlen zum E-Postbrief genannt hat. Gleichzeitig war der Werbeaufwand hoch. Die meisten Verbraucher sehen einfach keinen Nutzen in dem Produkt. Auf diesem Weg sollten eigentlich Mitteilungen, Mahnungen oder Knöllchen verschickt werden. Welcher Verbraucher unternimmt schon besondere Anstrengungen, um sich diese Briefe künftig elektronisch schicken zu lassen? Aber die Post kann nur gewinnen: Falls der E-Postbrief floppt, verschicken die Post-Kunden weiter herkömmliche Briefe.

Setzen sich E-Mail-Briefe wie der E-Postbrief auch in anderen Ländern schleppend durch?
Dieke: In Skandinavien sind diese Produkte zum Teil recht erfolgreich. Hier kann man elektronische Rechnungen mit einem Knopfdruck direkt bezahlen. So etwas scheitert in Deutschland an Besonderheiten des Bankensystems.

Kann die Post ihre Rückgänge im Briefmarkt wettmachen?
Neumann: Die Post probiert vieles aus, aber das größte Potenzial liegt im internationalen Expressversand, gerade zwischen Europa und Asien. Da die Unternehmen ihre Lagerhaltung aus Kostengründen minimieren, werden immer mehr und immer kleinere Sendungen verschickt. Dazu kommt vor allem in Deutschland das wachsende Paketaufkommen durch Online-Einkäufe.

Welchen Einfluss hat das Wachstum auf die Preise?
Neumann: Paketversand wird billiger. Das hat zur Folge, dass zum Beispiel Handys zur Reparatur aus Europa von den Herstellern nach Asien verschickt werden.

Welche Bilanz ziehen Sie für den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt?
Neumann:
Hier steht Deutschland im internationalen Vergleich gut da. Der Wettbewerb funktioniert, es gibt vier stabile Mobilfunknetzbetreiber.

Welche Chancen hat die Telekom im Wettbewerb?
Neumann: Der Telekommunikationsmarkt wächst zwar, zum Beispiel steigen die Datenmengen der Kunden ständig. Doch den Telekommunikationsfirmen macht ihre Preisstruktur zu schaffen. Sie haben ihre Kunden an Pauschaltarife - die Flatrates - gewöhnt, ohne die großen Steigerungen der Datenmengen vorauszusehen. Jetzt können die Anbieter aus dem Mengenwachstum nicht mehr den Gewinn erwirtschaften, denn sie gerne hätten.

Also können sich die Verbraucher über niedrige Preise freuen?
Neumann: Kurzfristig profitieren die Kunden. Langfristig schmälern die knappen Gewinne die Investitionsfähigkeit der Telekom. Das könnte beim Netzausbau für die Verbraucher zum Problem werden. Allein die Einführung eines flächendeckenden Glasfasernetzes würde in Deutschland rund 60 Milliarden Euro kosten.

Zu den Personen:
Karl-Heinz Neumann ist seit 2001 Geschäftsführer und Direktor des WIK. Nach seiner Forschungsarbeit an der Universität Bonn arbeitete er bereits 1982 bis 1995 für das Institut. Danach wirkte Neumann als Vorstand oder Aufsichtsratsmitglied bei verschiedenen Telekommunikationsunternehmen mit.

Alex Dieke leitet die Abteilung "Post und Logistik" des Bad Honnefer Instituts. Der Volkswirt befasst sich unter anderem mit Fragen der Liberalisierung von Postmärkten, Preisregulierung sowie Markt- und Kostenanalysen.

Das Institut:
Das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) hat 2012 sein 30-jähriges Bestehen gefeiert. Das Bad Honnefer Beratungsinstitut ist aus einer Denkfabrik für das damalige Bundespostministerium entstanden und hat dessen Privatisierung und Aufsplittung in die heutigen Konzerne Post und Telekom begleitet. Heute beraten die 55 WIK-Mitarbeiter Regulierungsbehörden und Post- und Telekommunikationskonzerne in aller Welt. Das WIK arbeitet unabhängig, Gesellschafter ist das Bundesministerium für Wirtschaft.

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