Telekommunikationsmarkt „Märkte verändern sich schneller als Gesetze“

Bonn · Dem schnellen Innovationstempo der Telekommunikationsfirmen hinken die Regeln der Wettbewerbshüter laut Experten hinterher. Die richtige Form der Anpassung ist umstritten.

 Unterliegen nicht der nationalen Regulierung: Inhalteanbieter wie der Musikdienst Spotify.

Unterliegen nicht der nationalen Regulierung: Inhalteanbieter wie der Musikdienst Spotify.

Foto: picture alliance / dpa

Auf der einen Seite stehen die großen Telekommunikationsanbieter wie die Deutsche Telekom, die durch Wettbewerbsvorschriften streng reguliert werden. Auf der anderen Seite befinden sich Firmen wie WhatsApp und Skype, die weltweit erfolgreich ihre Dienste anbieten, weitgehend unbehindert von nationalen Vorschriften.

Ihr Angebot, häufig als Over-the-top (OTT) bezeichnet, befindet sich aber durchaus in Konkurrenz zu den Produkten der Telekommunikationsfirmen wie SMS. Große europäische Provider wie die Telekom fordern deshalb eine Lockerung der Regulierung, um Waffengleichheit mit Diensteanbietern wie Google oder Facebook herzustellen. Um die Frage, wie die Spielregeln auf den Märkten künftig aussehen sollen, ging es am Montag bei einer Konferenz über „Investitionen in regulierten Industrien“ der Rechtsanwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer in Königswinter.

„Es wäre mehr als hilfreich, wenn wir auf europäischer Ebene eine Klarstellung bekommen, welche Unternehmen in die Regulierung einbezogen werden sollen“, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Denn die Hoffnungen der Politik ruhten auf den Wettbewerbsbehörden. Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, sieht im schnellen Tempo der Veränderungen ein Problem: „Die Realitäten in den Märkten verändern sich derzeit schneller als die Gesetze, die den den Märkte zugrunde liegen.“ Er halte aber keine Entweder-Oder-Entscheidung für sinnvoll.

Daniel Zimmer, Vorsitzender der Monopolkommission, wies darauf hin, dass beide Seiten trotz alle Rivalität in einem symbiotischen Verhältnis zueinander stehen. Einerseits hätten innovative OTT-Dienste und Anwendungen zu einer steigenden Endkundennachfrage nach Internetzugängen und Datenvolumen beigetragen, wovon auch die Netzbetreiber profitierten. Andererseits seien OTT-Anbieter von den traditionellen Telekommunikationsanbietern abhängig, weil ihre Dienste über deren Infrastrukturen erbracht werden. Dabei seien zunehmend Kooperationen zu beobachten. Beispiele seien Kooperationen von Netzbetreibern mit Musik-Streaming-Diensten wie Spotify und Deezer.

Die Monopolkommission spreche sich dafür aus, bestehende Regulierung nicht pauschal auf neue Dienste zu übertragen. Von OTT-Diensten könne Wettbewerbsdruck auf Telekommunikationsunternehmen ausgehen, so dass eine Lockerung der Regulierung in der Telekommunikation sinnvoll sein könne. Während sich die Telekom als zu scharf reguliert empfindet, sehen die Wettbewerber auf dem Telekommunikationsmarkt wie Vodafone das natürlich völlig anders. Sie beäugen kritisch einen Antrag, den die Telekom bei der Bundesnetzagentur gestellt hat.

Die Telekom will Vectoring im Nahbereich einführen, eine Technik, die eine schnellere Datenübermittlung auf den letzten Metern Kupferkabel erlaubt. Vectoring kann aber nur sinnvoll geschaltet werden, wenn nur eine Firma das Netz unter sich hat. Telekom-Wettbewerber könnten keine eigene Leistungen mehr im Festnetz anbieten, sondern nur die Telekom-Technik unter ihrem Namen weiterverkaufen. Für Hannes Ametsreiter, Vorstandsvorsitzender von Vodafone Deutschland, ist das eine Remonopolisierung und deshalb der falsche Weg. Der sofortige Ausbau des Glasfasernetzes sei der bessere Weg, um das Land auf Dienste wie das Autonome Fahren vorzubereiten.

Zimmer sieht den Bund grundsätzlich in einem klaren Interessenkonflikt. Einerseits sei er Anteileigner an der Deutschen Telekom, der Deutschen Post und der Bahn AG. Andererseits müsse er als Regulierer bestehende Interessenkonflikte zwischen Unternehmen lösen und den Wettbewerb fördern. Der Bund müsse sich deshalb von seinen Anteilen trennen.

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