EU-Arbeitsmarkt Meckenheimer Unternehmer berichtet über Erfahrungen mit rumänischen Paketzustellern

MECKENHEIM/ERFTSTADT · Die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die seit Jahresbeginn auch für Bürger aus den EU-Staaten Bulgarien und Rumänien gilt, wirkt in der Bonner Region noch ein wenig abstrakt.

Über Arbeitskräfte aus diesen Ländern, die ihr Glück etwa als Tagelöhner auf dem Bau suchen, hört man eher aus Großstädten. Auch Nachrichten etwa über miserable Bezahlung und eine teils elende Unterbringung.

Doch längst verdienen die EU-Bürger auch hier zwischen Bad Honnef und Bornheim ihr Geld. Davon zeugte zuletzt der Fall einer Meckenheimerin, die eine juristische Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Mieter führt, dem Transportunternehmer Mohamed Moussa. Moussa hatte im Februar mehrere Rumänen, die für ihn als Fahrer arbeiten, in einer Wohnung einquartiert, die er angemietet hatte.

Während die Vermieterin hierin eine unerlaubte Untervermietung sah, sagt der Angegriffene: "Das war so abgesprochen." Auch standen Vorwürfe im Raum, Moussa hätte seine Arbeitskräfte nicht ordnungsgemäß behandelt. "Ich habe eine weiße Weste", bekräftigt der 32-jährige Meckenheimer und lud den GA zu einem Treffen mit seinem Hauptauftraggeber ein - dem Paket- und Expressdienstleister DPD.

Etwa 50.000 bis 60.000 Pakete kommen pro Tag im Paketumschlagzentrum von DPD in Erftstadt an. Rund 300 eigene Mitarbeiter verteilen die Sendungen an etwa 300 externe Zusteller, erklärt Unternehmenssprecher Peter Rey. 22 jener 300 Zusteller arbeiten für Mohamed Moussa, darunter sechs Rumänen.

Keinen habe er überredet oder gar angeworben, betont er: "Diese Leute haben mich angesprochen." Für eine Einstellung habe er sich auf seine Menschenkenntnis und eine Probezeit verlassen. Bislang mit Erfolg: "Das sind alles super Jungs." Ohne seine rumänischen Fahrer hätte er ein Problem: "Es ist sehr schwer, entsprechende Arbeitskräfte auf dem Markt zu finden."

Den letzten Satz kann Tobias Siewert, Sprecher des Bauindustrieverbands NRW, für sein Gewerk nur unterschreiben: "Der Bedarf an Facharbeitern in der Baubranche ist da, zumal uns der demografische Wandel heftig treffen wird." Daher seien Rumänen ebenso willkommen wie geschulte Arbeiter aus anderen Ländern. Gezahlt werde auf dem Bau in Deutschland-West ein Tariflohn von 13,95 Euro. Fakt sei aber, "dass es oft an den Sprachkenntnissen scheitert".

Vielleicht auch deshalb kann Siewert bislang "keinen bedeutsamen Zustrom" aus Rumänien oder Bulgarien feststellen. Auch Alois Blum, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bonn/Rhein-Sieg, sieht im Bau- und Ausbaugewerbe jene Facharbeiter überaus gesucht, die ihre Arbeit beherrschen und über Deutschkenntnisse verfügen: "Aber merkwürdigerweise höre ich aus den Betrieben gar nichts." Ebenso vermag Jürgen Fritz von der Handwerkskammer zu Köln keine "Schwemme" auszumachen.

Was ihm allerdings in der Statistik der Betriebsgründungen auffällt: Bei den zulassungsfreien Handwerksberufen und handwerksähnlichen Berufen spielen Gründer aus Osteuropa eine größere Rolle. So stammten etwa bei Fliesenlegern 2013 rund 42 Prozent der Gründer aus Osteuropa und damit sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Auffällig ist für Fritz auch eine Verschiebung innerhalb der osteuropäischen Gründergruppe: Statt Polen verzeichnet er mehr und mehr Rumänen, Bulgaren und Balten.

Da Unternehmer Moussa seine rumänischen Mitarbeiter langfristig binden möchte, bietet er ihnen sozialversicherungspflichtige Jobs an. "Die verdienen hier gutes Geld", betont er, wobei seine Mitarbeiter nach Touren und nicht nach Stunden vergütet werden. Wie viel genau sie dafür erhalten, wollen weder er noch DPD "aus Wettbewerbsgründen" sagen. "Zwischen elf und 17 Euro die Stunde liegt ein ortsüblicher Tariflohn", sagt Thomas Großstück, Gewerkschaftssekretär für Postdienste, Spedition und Logistik beim Verdi-Bezirk NRW-Süd in Bonn. Nach GA-Informationen bewegt sich der Lohn für Moussas Fahrer in dieser Spanne. Trotzdem kritisiert Großstück die Bezahlung nach Touren: "So hebelt man Arbeitszeitregelungen aus."

Unterm Strich bereiten Unternehmer Moussa seine ausländischen Mitarbeiter weniger Sorgen als die Vorurteile vieler Deutscher. Etwa weil niemand "an Rumänen vermieten will". Darum habe er übergangsweise als Mieter auftreten müssen und sechs Mitarbeiter untergebracht. "Wie sollen die sich denn sonst ohne Unterkunft ein Leben aufbauen können?" Die Rumänen selbst wollten sich nicht zu dem Thema äußern. "Die sind durch die Berichterstattung verunsichert", meinte ihr Chef.

DPD-Sprecher Rey kann über Moussas Unternehmensführung nicht klagen. "Wir haben das alles genau geprüft." Moussa sei einer von etwa 1000 Systempartnern, die deutschlandweit für DPD die Zustellung übernehmen. Um Systempartner zu werden, "müssen eine Reihe von Kriterien erfüllt sein", betont Rey. So achte das DPD darauf, dass die Partner vernünftig wirtschaften können. "Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen", wie Rey sagt, investiere sein Unternehmen 2013 und 2014 auch 40 Millionen Euro.

Profitieren würden so neben den Systempartnern vor allem die Zusteller. Demnächst will ihnen das Unternehmen in Erftstadt Sprachkurse anbieten. Die sollen auch Moussas rumänische Fahrer besuchen.

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