Mehr Selbstanzeigen von Steuersündern bei Bonner Finanzämtern

Bei den beiden Bonner Finanzämtern haben sich in den vergangenen Wochen mehr Steuersünder selbst angezeigt als in den Vorjahren. "Es ist eine erstaunlich deutliche Zunahme", sagt der stellvertretende Leiter des Finanzamtes Bonn-Außenstadt, Christoph Spitzlei.

Mehr Selbstanzeigen von Steuersündern bei Bonner Finanzämtern
Foto: dpa

Bonn/Berlin. Auch bei den beiden Bonner Finanzämtern haben sich in den vergangenen Wochen mehr Steuersünder selbst angezeigt als in den Vorjahren.

"Es ist eine erstaunlich deutliche Zunahme", sagt der stellvertretende Leiter des Finanzamtes Bonn-Außenstadt, Christoph Spitzlei. Selbstanzeigen seien in anderen Jahren eher selten, berichtet der Leiter des Finanzamtes Bonn-Innenstadt, Frank Mlosch.

In der vergangenen Woche hatten bereits die Finanzämter Siegburg und Sankt Augustin von einer Zunahme gesprochen. Zahlen dürfen die Finanzämter nach einem Erlass des Bundesfinanzministeriums nicht nennen.

Es ist eine der großen Besonderheiten im deutschen Recht: Steuerhinterzieher kommen ohne Strafe davon, wenn sie sich beim Finanzamt selbst anzeigen, bevor sie entdeckt werden. Bei anderen Straftaten ist der Staat nicht so milde.

Dieser außergewöhnlichen Langmut will SPD-Chef Sigmar Gabriel nun ein Ende setzen. Er fordert, die Straffreiheit abzuschaffen. Und die SPD, die bereits einen Gesetzentwurf angekündigt hat, erhält Unterstützung von Unionspolitikern.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) allerdings hält eine Gesetzesänderung nicht für notwendig. Die Begründung des Bundesfinanzministeriums für die Straffreiheit bei Selbstanzeige lautet so: Der Staat müsse zwei Interessen gegeneinander abwägen - einerseits den Willen zur Strafverfolgung, andererseits das Ziel, die hinterzogenen Steuern doch noch einzutreiben.

Beides sei gleichzeitig oft nicht bewerkstelligen, sagte ein Sprecher. Wenn der Staat seine empfindliche Strafandrohung in jedem Fall aufrechterhalte, würden sich die Steuerhinterzieher möglicherweise nicht freiwillig melden, sondern hoffen, durch die Maschen der Ermittlung zu rutschen.

Ergebnis: Die Finanzämter würden weniger Geld einnehmen. Das Problem bei dieser Argumentation besteht darin, dass die Steuerhinterzieher besser behandelt werden als andere Straftäter.

Zwar gibt es die Straffreiheit auch in Bezug auf andere Straftaten. Wer beispielsweise ein Auto klaut und es reuig zurückbringt, bevor der Diebstahl entdeckt wird, kann unter bestimmten Umständen ebenfalls mit Straffreiheit rechnen.

Aber es existiert ein deutlicher Vorteil für Steuerhinterzieher. In diesem Fall muss bei Selbstanzeige Straffreiheit gewährt werden. Beim Autodiebstahl dagegen kann das Gericht Milde walten lassen - oder auch nicht.

Dass der Staat bei einer Selbstanzeige der Steuerhinterziehung seinen Strafanspruch komplett aufgibt, hält etwa der Düsseldorfer Jura-Professor Jürgen Wessing für "singulär".

"Die Straffreiheit für Steuerhinterziehung bei Selbstanzeige ist der einzige Fall, in dem das Geld vor die Moral gestellt wird", sagt Wessing, "wenn es um sein Geld geht, wird der Staat ganz milde".

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