Regionalkonferenz Minister Altmaier wirbt in Bonn für die Gründerszene

Bonn · Peter Altmaier macht sich im Bonner Base Camp ein Bild von der Start-up-Szene. Er will bessere Rahmenbedingungen schaffen. Dabei gefällt er sich in der Rolle des Vorkämpfers.

 Peter Altmaier (rechts) besucht die regionale Gründerkonferenz in Bonn – mit CDU-Politikerin Lisa Winkelmeier-Becker, OB Ashok Sridharan und Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer (von rechts).

Peter Altmaier (rechts) besucht die regionale Gründerkonferenz in Bonn – mit CDU-Politikerin Lisa Winkelmeier-Becker, OB Ashok Sridharan und Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer (von rechts).

Foto: Martin Wein/Martin Wein, Bonn

Sie ist dottergelb mit Glasscheiben, darin ein massiver Münzfernsprecher und ein zerfleddertes Telefonbuch. Die alte Telefonzelle aus den Zeiten der Deutschen Bundespost im Bonner BaseCamp stimmt Peter Altmaier nostalgisch. „Darin war man im Zustand des totalen Fortschritts“, erzählt der Bundeswirtschaftsminister am Montag bei der Regionalkonferenz West der Nationalen Gründungsoffensive „GO“. Mit einer „Flatrate“ von 20 Pfennigen habe einem die Welt der Ortsgespräche offen gestanden, vorausgesetzt, der Apparat war nicht besetzt oder kaputt.

Später kamen die Handys, so geht die ministeriale Geschichtsstunde weiter. Altmaier rühmt sich, schon bei seinem Einzug in den Bundestag 1994 eines besessen zu haben, damals noch einen ganz schön dicken Knochen. Kollegen hätten gelacht. Schließlich telefonierte man im Bundestag als Abgeordneter doch kostenlos. „Aber der Kollege wurde bei der nächsten Wahl nicht wieder gewählt“.

Wer sich nicht nach der Decke streckt, das soll der Exkurs übers Wählen, Verwählen und Abwählen wohl sagen, der ist schnell Vergangenheit – in der Politik, aber auch in der Wirtschaft. Die Volkswirtschaft braucht deshalb mehr Menschen, die sich mit ihren Ideen auf den Markt trauen. Die Gründungsoffensive – sie ist ein symbolischer Schulterschluss des Ministeriums, der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern – soll dazu auf insgesamt vier Regionalveranstaltungen Mut machen.

Die Politik müsse die Bedingungen zum Gründen verbessern, fordert Altmaier, indem Gründer etwa die Umsatzsteuer künftig nicht mehr monatlich, sondern quartalsweise erklären müssten, indem ein Dutzend Gewerke wieder meisterpflichtig gemacht wurden und indem kleine Unternehmen demnächst bis zu 500 000 Euro für ihre Forschungen steuerlich abschreiben können.

Die Grenze zur direkten Abschreibung von gewerblichen Anschaffungen solle von 800 auf 1000 Euro steigen, fordert Altmaier und gefällt sich mit ausladenden Gesten in der Rolle des Vorkämpfers für ein freies Unternehmertum. Wenn es nach ihm gehe, hätte er schon ganz andere Dinge durchgesetzt. Aber im Bundeskabinett und im Parlament müsse er ja dafür erstmal Mehrheiten finden.

Altmaier bekennt sich zur „Nudeln und Pommes“-Liebe

„1000 Euro für Anschaffungen – das sind doch Peanuts“, zischt die junge Ehefrau eines Gründers, der mit Altmaier auf dem Podium diskutiert. Unter Bürokratieabbau stellen sich die wenigen zwei Prozent der Universitäts-Absolventen, die sich in Deutschland selbständig machen wollen, etwas anderes vor. Stefan Hagen, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg, entwickelt da ein paar Ideen. Eine Abwicklung von Steuern und Gebühren ganz ohne Gewerbeanmeldung, allein mit der Sozialversicherungsnummer, damit die Gründer erstmal das machen können, wozu sie angetreten sind: ein Unternehmen aufbauen. Das wäre ein großer Wurf. Kommunal regt Hagen neben Co-Working-Spaces für IT-Startups ähnliche Konzepte für Gastronomie oder Einzelhandel an: Flächen mit gemeinsam nutzbarer Infrastruktur, auf der Waren und Dienstleistungen angeboten werden können. So könne man der zunehmenden Marktmacht großer Ketten etwas entgegensetzen.

Kamil Michma hat sich im Mai mit drei Partnern in Bonn selbständig gemacht. Ihre „Plastikalternative GmbH“ (Internet: shop.plastikalternative.de) importiert aus Thailand Einweggeschirr aus einem Reststoff des Zuckerrohrs. „Der zersetzt sich im Kompost nach sechs Wochen rückstandsfrei“, verspricht Michma. Ein Vertreter vor Ort achte darauf, dass Qualitäts- und Umweltstandards eingehalten werden. Kaffeebecher, Pommesschalen, Salatteller – alles für die Biotonne. „Wir stehen vor einigen großen Geschäftsabschlüssen“, verrät Michma. Und wenn die EU-Plastikverordnung auf weitere Produkte erweitert werde, könnte das Bonner Startup ein großer Wurf werden.

Eine gute Nachricht auch für den Bundeswirtschaftsminister. Der interessiert sich im Base-Camp schließlich nicht nur für das handgebackene Brot von Max Kugel („Da, wo es nur Brot gibt“) und regt eine App für derartige regionale Angebote als Geschäftsidee an. Altmaier bekennt sich auch zu seiner Liebe zu „Nudeln und Pommes und allem, was gut schmeckt“. Die lassen sich auf einem kompostierbaren Teller mit kompostierbarem Besteck natürlich viel besser ohne schlechtes Gewissen genießen als auf Einweg-Plastik.

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