Beueler Industriegeschichte Mit der Wäsche fing alles an

Es gab Zeiten, da füllten bahnbrechende Erfindungen aus der Arbeiterstadt Beuel und den umliegenden Gemeinden die Regale des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Raum zwischen Siegmündung und Siebengebirge zu einem der großen und bedeutenden Industriestandorte Deutschlands.

  • 1846 gründete der Bonner Apotheker Ludwig Marquardt in Beuel seine Chemische Fabrik (und gab später unglücklicherweise seine Rezeptur für Backpulver an den Bielefelder Apotheker August Oetker weiter, der damit das Fundament zu einem Weltkonzern legte).
  • An die im Jahr 1856 von der "Bonner Bergwerks- und Hüttenverein Actiengesellschaft" gegründete Cementfabrik Obercassel erinnert noch der Wasserturm, die Direktorenvilla und die Rohmühle, in deren historischem Ambiente heute ein Restaurant betrieben wird.
  • Andere bedeutende Fabriken beherbergen heute Kultureinrichtungen, so etwa die im Jahr 1893 gegründete Rheinische Tapetenfabrik, die 1903 gegründete Germania Brotfabrik oder die im Jahr 1867 gegründete Jutefabrik, in der heute Werkstätten, Lager und Bühnen des Bonner Schauspiels untergebracht sind. Schon vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte die Spinnerei und Weberei an der Siegburger Straße mehr als 1.200 Menschen; Jutesäcke zum Transport von Kohle oder Kartoffeln waren lange Zeit sehr gefragt.
  • Zu den Unternehmen mit Weltruf, die heute nicht mehr existieren, zählte auch die im 1888 gegründete Mittelrheinische Theerproducten- und Dachpappen-Fabriek August Wilhelm Andernach (später: awa GmbH), ferner die von Hofjuwelier Ferdinand Hoffstätter gegründete Fabrik für Orden und Ehrenzeichen (da gab es in den beiden Weltkriegen großen Bedarf), ferner die Vaseline-Fabrik Rhenania sowie die Rheinischen Schmirgelwerke, die das Scheuermittel Nicco herstellten, mit dessen Hilfe die deutsche Hausfrau ihren Herd nach dem Kochen und Backen wieder blitzblank bekam.
  • Kaum eines der großen Beueler Unternehmen aus der Frühzeit der Industrialisierung existiert heute noch. Ausnahme: die 1905 gegründete Süßwarenfabrik Kessko. Die Kautex-Werke sowie die Eisengießerei und Maschinenfabrik Rübenach wurden hingegen erst 1935 gegründet.
  • Die Industrialisierung indes führte zum Niedergang eines anderen legendären Beueler Wirtschaftszweigs, der einst von Kunden im gesamten Rheinland geschätzt wurde: die Wäschereien. Grundbedingung fürs Waschen und fürs anschließende Bleichen auf den Uferwiesen waren sauberes Wasser und saubere Luft. Damit aber war es auch durch die wachsende Zahl der Dampfschiffe bald vorbei. Außerdem verloren die Wäschereibetriebe scharenweise Arbeitskräfte, weil in den neuen Fabriken bessere Löhne gezahlt wurden.
  • 1907 bewarb die Düsseldorfer Firma Henkel ihr neuartiges, "selbsttätiges" Waschmittel namens Persil mit dem besonderen Hinweis, dass der "berühmte Beueler Duft" nun auch im privaten Waschkeller mühelos zu erzielen sei, ohne dass die Wäsche das Haus verlassen müsse.

Heimatmuseum Beuel

Wer mehr über die Industriegeschichte, aber auch über die allgemeine Geschichte des heutigen Bonner Stadtbezirks erfahren möchte, ist im Beueler Heimatmuseum bestens aufgehoben. Die ehrenamtlich geführte kleine, feine Perle unter den Bonner Museen im historischen Gebäude-Ensemble an der Ecke Steinerstraße/Herrmannstraße ist mittwochs, samstags und sonntags jeweils von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Als Eintritt wird eine Spende in beliebiger Höhe erwartet. Informationen unter www.hgv-beuel.de

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