Betriebsrätetag in Bonn Mitbestimmung retten

Bonn · Ein bisschen fühlte er sich wohl wie in der Höhle der Löwen: Jedenfalls betonte Sigmar Gabriel am Dienstag in seiner Eröffnungsrede zum 13. Deutschen Betriebsrätetag, dass er als Bundeswirtschaftsminister am Kabinettstisch keineswegs nur die Arbeitgeberinteressen vertrete.

 Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel diskutierte mit Betriebsräten im alten Plenarsaal.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel diskutierte mit Betriebsräten im alten Plenarsaal.

Foto: Benjamin Westhoff

Genauso verpflichtet sehe er sich den Anliegen der Beschäftigten – und zitierte dann verschiedene Paragrafen des Grundgesetzes, die sich mit betrieblicher Mitbestimmung und den Aufgaben der Tarifvertragsparteien befassen.

Der Betriebsrätetag, der noch bis Donnerstag im alten Bundestag in Bonn stattfindet, diskutiert gelungene Beispiele aus der Betriebsrätepraxis; die Besten erhalten am Ende einen Preis für ihre Arbeit. Das Treffen steht in diesem Jahr unter dem Motto „Arbeit 4.0 – Betriebsräte gestalten die Zukunft der Arbeit“. Gabriel mahnte, dass „in der digitalen Welt die Werte der analogen Welt nicht in Frage gestellt“ werden dürften. Was die Beschäftigten in 200 Jahren Industrialisierung erkämpft hätten, sei zu bewahren. Doch der SPD-Chef musste auch einräumen, dass die Idee der betrieblichen Mitbestimmung „in den vergangenen Jahrzehnten unter die Räder gekommen“ sei. Weil zudem die Flächentarifverträge immer weniger Unternehmen binden würden, habe sich die Bundesregierung zum Mindestlohngesetz gezwungen gesehen: „Es ist eigentlich eine Schande, dass wir den Mindestlohn brauchen“, so Gabriel.

In der Diskussion mit den Betriebsräten, der er sich nach seiner Rede stellte, ging es um das Freihandelsabkommen Ceta, die Schlichtung bei Kaiser's Tengelmann und die Zukunft der deutschen Chemieindustrie. „Über Ceta wird so viel Unsinn geredet“, wetterte Gabriel und wies die Kritik eines Telekom-Betriebsrats an der Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen von Ceta recht barsch zurück. Das Abkommen mit Kanada sei ein exzellenter Vertrag und „ein Schutz gegen ein schlechtes TTIP“, weshalb die USA ja auch „stinksauer“ auf die Kanadier seien. Acht Kern-Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) seien in Ceta aufgenommen worden und würden nun von Kanada eingeführt.

Zur Beruhigung der Betriebsräte erklärte der Minister, dass der gesamte Bereich der betrieblichen Mitbestimmung gar nicht Teil von Ceta sei. Auch die umstrittenen privaten Schiedsgerichte seien nicht mehr enthalten. „Das Problem ist, dass nicht mehr der Politik geglaubt wird, sondern Professoren.“ Damit spielte der SPD-Politiker auf mehrere Studien von Juristen an, die starke Vorbehalte gegenüber dem Investitionsgerichtshof haben, der statt der privaten Schiedsgerichte kommen soll. Sie befürchten einen Klageboom privater Investoren aus Kanada gegen Kommunen in Europa, sofern diese privatisierte Aufgaben der Daseinsvorsorge wie die Wasserversorgung wieder übernehmen wollen.

Martin Seiler, Personalvorstand der Telekom, mahnte in seinem Grußwort, die „Digitalisierung als Chance und nicht als Schicksal“ zu begreifen. Allerdings: Laut Studien, die er zitierte, könnten in 15 Jahren Roboter bereits die Hälfte aller Jobs übernehmen. „Was heißt das für die Mitbestimmung, wenn viele Tätigkeiten automatisiert sind?“ Die Antworten darauf gibt es noch nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort