Netzagentur ermittelt wegen Preisdumping

Bonner Behörde leitet erstmals ein Markt-Missbrauchsverfahren gegen die Deutsche Telekom wegen eines ISDN-Tarifs ein - Wettbewerber werfen der Bonner Telekom Behinderung des Breitband-Ausbaus vor

Wettbewerber werfen der Bonner Telekom Behinderung des Breitband-Ausbaus vor.

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Bonn. (dpa) Die Bundesnetzagentur hat erstmals nach neuen Gesetzesvorgaben ein Markt-Missbrauchsverfahren gegen die Deutsche Telekom eingeleitet. Die ehemalige Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post nimmt nach Beschwerden von Konkurrenten den neuen Telekom-Tarif "Calltime 240 ISDN" unter die Lupe, den seit Markteinführung Anfang September nach Unternehmensangaben bereits deutlich über 100 000 Kunden nutzen.

Darunter befinden sich der Telekom-Festnetztochter T-Com zufolge zahlreiche Neukunden. T-Com kritisierte das Verfahren am Donnerstag heftig als "Rückschritt in die Regulierungs-Steinzeit". Die Telekom hatte zum 1.&nbs;September die Anzahl der Freiminuten in dem ISDN-Tarif auf 240 verdoppelt.

Bei dem Markt-Missbrauchsverfahren werde unter anderem innerhalb von zwei Monaten geprüft, ob ein Preisdumping vorliege, teilte die Bundesnetzagentur mit. In der Branche wurde vermutet, die Telekom wolle mit dem Angebot ISDN gegenüber günstigeren analogen Leitungen attraktiver machen.

Die Telekom-Festnetztochter befürchtet mit Verweis auf weitere Entscheidungen eine "Zementierung von Regulierungsmaßstäben". "Wir dürfen nicht wieder in die alte Schule der Genehmigungspflicht, die wir von 1998 bis 2004 hatten, zurückfallen", sagte T-Com-Manager Frank Schmidt.

Die Bundesnetzagentur wies die Kritik des Unternehmens als überzogen zurück. "Das empfinden wir als Überreaktion", sagte ein Sprecher der Behörde. Entsprechend dem neuen Telekommunikationsgesetz werde die Bundesnetzagentur tätig. Unterdessen werfen Wettbewerber dem Bonner Unternehmen vor, den Ausbau der Breitband-Kommunikation zu behindern.

Die Deutsche Telekom AG mache ihre Investitionen von einer geringeren Regulierung der Breitband-Netze abhängig und ziele damit auf die Verdrängung von Wettbewerbern, kritisierte der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM/Köln) am Donnerstag in München.

"Man kann nicht einzelne Unternehmen unter Investitionsschutz stellen", sagte eine Sprecherin. Der flächendeckende Ausbau der Breitband-Versorgung werde damit zudem verzögert.

Erstmals seit fünf Jahren zeigten 2005 die Investitionen der Telekom-Wettbewerber wie Telefonica, BT Germany und Arcor ins Festnetz wieder nach oben, sagte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Rund eine Milliarde Euro wollen die Unternehmen in den Ausbau stecken.

Zusammen mit dem Mobilfunk beliefen sich die Investitionen der Unternehmen in diesem Jahr auf rund 2,5 Milliarden Euro. "In den letzten fünf Jahren wurden hier zehn Milliarden Euro investiert, inklusive Mobilfunk sind es sogar 16 Milliarden Euro", sagte Grützner. Grundsätzlich sei es zu begrüßen, dass Investitionen nicht durch staatliche Regulierung behindert würden.

"Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass gerade Innovationen und Investitionen samt erheblicher Arbeitsmarktpotenziale massivst gefährdet sind, wenn es - wie im Falle von DSL geschehen - einem Exmonopolisten gelingt, auch nur für kurze Zeit Wettbewerb auszuschalten." Hier könne eine staatliche Regulierung auch schützend wirken.

Im Frankfurter Prozess um die Millionenklagen enttäuschter Kleinanleger gegen die Deutsche Telekom bahnt sich unterdessen ein Durchbruch an. Das Landgericht Frankfurt ist fest entschlossen, für den Mammutprozess mit über 15 000 Klägern ein juristisches Verfahren anzuwenden, das noch nicht einmal in Kraft ist.

Grundlage für das bislang nicht mögliche Bündeln tausender Klagen ist das Gesetz über die Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG), das erst am 1. November in Kraft tritt. Nach Meinung der Richter kann es ohne weiteres auf laufende Verfahren angewendet werden, die noch nicht entschieden sind.