GA-Serie: Lehrstellen-Check Neue Wege der Ausbildungsbetriebe

Bonn/Region · Zwei Monate lang haben neun Volontäre und freie Mitarbeiter Ausbildungsberufe getestet. Doch warum sind viele Stellen unbesetzt und was tun Betriebe, um künftig mehr Bewerber zu haben? Ein Blick in Bonn und die Region zeigt kreative Alternativen.

Pfleger, Maler, Fleischer, Bäcker und Dachdecker. Diese Berufe haben eines gemein – sie suchen händeringend nach qualifizierten Fachkräften und Auszubildenden. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage für die Leistungen der Betriebe zu. Die alternde Gesellschaft benötigt schließlich zunehmend mehr Pflegepersonal. Auch fachlich hochwertige Maler- und Dachdeckerarbeiten sind stets gefragt, können aber meist erst Wochen oder Monate später realisiert werden.

Laut der Agentur für Arbeit waren im Juli dieses Jahres noch 2092 Ausbildungsstellen in Bonn und der Region nicht besetzt. Das sind 244 Plätze mehr als im Vorjahr. Es gibt Passungsprobleme: Auf der einen Seite fehlt den Betrieben der Nachwuchs, auf der anderen blieb etwa die gleiche Menge an Interessenten ohne Stelle.

Die Gründe sind laut einer Studie des Forschungsinstituts für Gesellschaftliche Weiterentwicklung vielfältig. Teilweise würden Betriebe nicht richtig informieren. Teilweise seien Interessenten nicht bereit, abseits ihrer wenigen Favoriten Abstriche zu machen und sich für andere Fachbereiche zu bewerben.

Mit Whatsapp auf Azubisuche

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken haben sich einige Unternehmen in Bonn und der Region kreative Wege einfallen lassen, um auf die jungen Bewerber zuzugehen und diese von sich zu überzeugen. Das Krankenhaus Porz am Rhein sorgte beispielsweise mit einer Whatsapp-Aktionswoche für großes Aufsehen. Sechs Kollegen aus dem Krankenhaus berichteten im Juni eine Woche lang über ihren Berufsalltag und die verschiedenen Facetten der Pflegeberufe.

Mario Schiffer, Personalchef des Krankenhauses und Initiator des Projektes, erzählt: „Wir wollten damit einer möglichst jungen Zielgruppe zeigen, wie vielfältig die Arbeit der Pflege in einer Klinik ist.“ Als Unternehmen wollte man – wie sonst nur Freunde es können – über die App Whatsapp authentisch erzählen, was den Tag über in einer Klinik passiert. Es gab Nachrichten, Bilder, Videos, Sprachnachrichten und Fragerunden für die Gruppenmitglieder.

Wie einen Handy-Wanderpokal überreichte ein Kollege das Telefon dem nächsten und zeigte – wie in einem virtuellen Rundgang – die Arbeit aus einer anderen Perspektive. 180 Mitglieder hatte die Gruppe und prompt kamen innerhalb dieser Woche die ersten Bewerbungen rein.

Azubi- Speed-Dating

Um gleich einer Vielzahl von Betrieben eine Plattform für Azubigewinnung zu schaffen, rief die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg und die Handwerkskammer Köln vor sechs Jahren das Azubi-Speed-Dating ins Leben. Rund 400 Jugendliche und 113 Betriebe konnten sich auch dieses Jahr im Februar in jeweils zehnminütigen Gesprächen in der Bad Godesberger Stadthalle austauschen. „Die Unternehmen müssen neue Wege gehen um Auszubildende zu finden“, betonte Initiatorin Silke Rogge von der IHK.

Somit müssten nicht mehr nur die jungen Bewerber die Arbeitgeber überzeugen, sondern auch umgekehrt die Betriebe. Zum wiederholten Male nahm in diesem Jahr die Kautex Maschinenbau GmbH aus Bonn-Holzlar an dem Azubi-Speed-Dating teil. „Wir schätzen sehr, dass wir im Speed-Dating unmittelbar einen persönlichen Eindruck von potenziellen Bewerbern gewinnen können“, berichtet Christina Rossol, Verantwortliche für das Ausbildungsmarketing in dem Unternehmen.

Es hätte in den vergangenen Jahren viele gute Gespräche gegeben: „Unter anderem haben wir Ausbildungsplätze durch die Teilnahme an dem IHK Speed Dating besetzen können, nachdem wir einige Bewerber direkt zu weiteren Gesprächen eingeladen hatten“, erzählt Rossol.

Ein Stammtisch für Pflege-Azubis

Beim Pflegeteam Wentland in Rheinbach wird die Azubibetreuung- und gewinnung ebenso großgeschrieben. In dem familiengeführten Unternehmen mit 350 Mitarbeitern gibt es derzeit 20 Auszubildende. Seit rund zwei Jahren hat das Unternehmen mit Paul Ehrhardt einen Azubi-Verantwortlichen. „Er hat einen Azubi-Stammtisch ins Leben gerufen“, erzählt Geschäftsführer Matthias Wentland.

Einmal im Quartal treffen sich dort alle zum Austausch. Regelmäßige Gespräche, Feedback und enge Betreuung gehören ebenfalls mit zu Ehrhardts Bereichen. Auf der Internetseite www.karriere-wentland.de erhalten Interessierte zudem mit Interviews und Videos einen Einblick in das Unternehmen und die angebotenen Ausbildungen.

Mit Praktika Vielseitigkeit endecken

Bei der Wirtgen GmbH in Windhagen sind derzeit 139 Auszubildende tätig. Der Großteil von ihnen arbeitet im gewerblich-technischen Bereich. Gute Erfahrungen hat das Unternehmen mit angebotenen Praktika gemacht. „Wir gehen an die Schulen und geben den Praktikanten dann vor Ort die Möglichkeit, direkt in bestimmte Berufe Einblick zu erhalten“, so Petra Weber, die bei Wirtgen für die kaufmännischen Ausbildungen zuständig ist.

Besonders die Vielseitigkeit der Berufe würde vor Ort überzeugen. „Oft können sich viele im Vorhinein gar nicht vorstellen, was wir alles machen“, so Weber. Bei den „Technikdays“ können die Schüler den gewerblichen Bereich kennenlernen und von den Auszubildenden selbst mehr über ihre Ausbildungen erfahren.

Unbegrenztes Naschen bei Haribo

Das Unternehmen Haribo erhielt in diesem Jahr die Auszeichnung „Faire Ausbildung“, die vom Trendence Institute und der Jobbörse Absolventa verliehen wird. „Wir versuchen den neuen Auszubildenden einen erfolgreichen Ausbildungsstart zu gewährleisten“, äußerte sich ein Sprecher des Unternehmens.

Weiter bietet Haribo den Azubis eine Kostenübernahme bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, übertarifliche Vergütung und eine Prämie nach erfolgreich abgelegter Abschlussprüfung. Auch unbegrenztes Naschen der Haribo-Produkte während der Arbeitszeit zähle zu den „On-Top-Angeboten“. Durch vertieften Kontakt zu vielen Schulen in der Region könne Haribo aktiv bei der Berufsorientierung von Schülern unterstützen. Aktuell gibt es noch offene Stelle für eine Ausbildung zum/r Kaufmann/frau im Einzelhandel ab September 2018.

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