Beethovenfest-Intendantin im Universitätsforum Nike Wagner: "Beten, dass die Macht des Kommerzes nicht gewinnt"

BONN · Macht der Kommerz die Kultur kaputt? "Kunst, Kommerz, Konsum - zum Kulturbetrieb heute", darüber referierte gestern Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner im Universitätsforum Bonn auf Einladung des Zonta-Clubs Bonn-Rheinaue, und diese Frage stand bei den rund 200 Zuhörern automatisch im Raum.

 "Qualität setzt sich durch": Nike Wagner.

"Qualität setzt sich durch": Nike Wagner.

Foto: Julian Stech

Nike Wagner enttäuschte sie nicht: "Lassen Sie uns beten, dass die Macht des Kommerzes nicht die Oberhand gewinnt!" Dieser doch sehr emotionale Aufruf am Schluss ihrer Rede traf den Nerv des Publikums. Dabei waren Wagners Ausführungen differenzierter, als es der Schluss vermuten lässt.

Kunst und Kommerz sind für die Urenkelin von Richard Wagner, selbst jahrzehntelang im Kulturbetrieb tätig, nicht nur Gegensätze. Mit dem Wandel zur Rezeptionsästhetik, dahin, dass der Zuschauer oder Zuhörer entscheidet, was Kunst sei, hätten sich auch Darstellungen von Kunst und Kommerz einander angeglichen: "Alles wird Installation." Konsumtempel, Einkausfserlebniswelten, Art-on-Demand-Ausstellungen - "Kunst und Kommerz wollen den Menschen in ein alternatives Gelände versetzen."

Doch da enden dann auch bald die Gemeinsamkeiten, und für Wagner droht die Ökonomie die Oberhand zu gewinnen, ja, die Begriffe Kultur und Kunst selbst zu verändern, zu vereinnahmen. Welchen Kulturbegriff haben wir, wenn wir Kulturpolitik als Teil von Wirtschaftsförderung begreifen, erinnerte Wagner an Ausführungen von Bundestagspräsident Norbert Lammert. Das, was mit der Kultur passiert, ist für Wagner Teil eines zivilisatorischen Prozesses, in dessen Verlauf sich die Gesellschaft immer stärker nach wirtschaftlichen Kriterien ausrichtet.

Resultat sei auch im Bereich der ernsten Musik ein "gnadenloser Eventanspruch" mit Promis wie der Sopranistin Anna Netrebko oder Lang Langs "digitalisiertem Klavierspiel". In diesen "durchmediatisierten Ereignissen" bestätige sich die Gesellschaft ihr Wissen darüber, was Kunst sei.

Solche Events seien es dann auch, die Sponsoren anziehen. Wagner plädiert dafür, sich darauf einzustellen und das Beste daraus zu machen. "Wir müssen mit dieser Amerikanisierung unserer Verhältnisse umgehen lernen, auch wenn sie unserem Kulturverständnis widerspricht."

Bezogen auf das Bonner Beethovenfest stellt sich Wagner ausdrücklich in die Tradition ihrer Vorgängerin Ilona Schmiel. Beim Spagat zwischen Eventkultur und dem Anspruch, auch Neues, Unbekanntes zu wagen, sei das Beethovenfest bisher "geschickt eine mittlere Linie gefahren", so Wagner. "Ein Stück Bewahrungskultur ist in Bonn immer geleistet worden."

Sie selbst will neuer Musik mehr Chancen geben. Es gehe auch darum, revolutionäres Neues zu hören. "Mozart und Beethoven waren das in ihrer Zeit auch." Diese Art von Musik müsse aber vermittelt werden und das bedeute auch, sie konsumgängig zu machen: "Die Qualität in der Kunst wird sich durchsetzen", zeigt sich die Intendantin überzeugt. Wo das der Fall ist, hilft die Wirtschaft immer gerne, möchte man ihr zurufen.

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