Nachtarbeit in der Philharmonie Oberpleiser Firma erneuert Sitze des Kölner Konzertsaals

Königswinter · Wenn die Konzertbesucher gegangen sind, überholen Mitarbeiter der Königswinterer Firma Brune die 2100 Sitze im Saal. Nach und nach arbeiten sie sich von unten nach oben durch die Reihen.

 Nachts im Konzertsaal: Brune-Mitarbeiter Sven Richarz bearbeitet das Metallgerüst eines Sitzes in der Philharmonie. Vor der neuen Polsterung wird der Stuhl bis auf das Gestänge zerlegt.

Nachts im Konzertsaal: Brune-Mitarbeiter Sven Richarz bearbeitet das Metallgerüst eines Sitzes in der Philharmonie. Vor der neuen Polsterung wird der Stuhl bis auf das Gestänge zerlegt.

Foto: Guenther Meisenberg

Wie die Heinzelmännchen zu Köln verrichten die Handwerker der Oberpleiser Firma Brune ihre Arbeit in der Domstadt ausschließlich nachts. Gegen 23 Uhr haben die letzten Konzertgäste die Philharmonie verlassen, die Proben des Tages sind längst vorbei. Jetzt bleiben den Möbelfachleuten sechs Stunden für ihre Mammutaufgabe: Sie überholen die insgesamt 2 100 Stühle des Konzerthauses bei laufendem Betrieb. „Rund 80 Nächte haben wir für die Arbeiten eingeplant“, sagt Brune-Geschäftsführer Andreas Fertig.

Das Oberpleiser Traditionsunternehmen hat sich auf hochwertige Möbel für öffentliche Gebäude wie Flughäfen, Krankenhäuser oder Veranstaltungshallen spezialisiert. Den Auftrag aus Köln hat das Unternehmen unter anderem erhalten, weil Brune bereits die Original-Bestuhlung geliefert hatte. „Da die Innenarchitektur der Saals urheberrechtlich geschützt ist, muss die ursprüngliche Gestaltung – auch der Bestuhlung – erhalten bleiben“, teilte Philharmonie-Sprecher Othmar Gimpel mit.

Rund 30 Sitze erneuern die Handwerker pro Nacht. Sie arbeiten sich von den ersten Sitzreihen nach oben vor. „Erst wird alles bis auf die Metallgestelle zerlegt“, sagt Dietmar Birrenbach, technischer Leiter bei Brune. „Dann werden die neuen Schaumstoffkissen montiert und mit Stoff und Leder bezogen.“

Die Konzertsessel müssen einiges aushalten: „Jedes Jahr kommen rund 600 000 Besucher in die Kölner Philharmonie. Das heiße, dass rein rechnerisch jeder Sitz in den letzten 17 Jahren rund 10 000 bis 15 000 „Sitzstunden“ standhalten musste, so Sprecher Gimpel.

Brune arbeitet daher mit speziellen Materialien. Der Schaumstoff komme von einem Hersteller in Italien, der auch die Elbphilharmonie ausgerüstet habe, sagt Techniker Birrenbach. Der Stoff werde extra für die Philharmonie in der Original-Farbe von einem bayerischen Hersteller gewebt. Der Bezug müsse besonders brandsicher und abriebfest sein, so Birrenbach. Die hölzernen Armlehnen werden in der Produktion am Ortsrand von Oberpleis für die Philharmonie aus heimischem Eichenholz vorgefertigt.

Kein Unterschied beim Ton

Auch den Klang der Musik dürfen die Sitzmöbel nicht beeinflussen. „Für den Saal wird eine genaue Nachhallzeit der Töne vorgegeben“, sagt Brune-Geschäftsführer und -Inhaber Fertig. „Dabei darf es keinen Unterschied geben, ob die Plätze besetzt oder frei sind.“ Zur Prüfung der Klangwirkung beauftragt die Philharmonie eigens ein Akustikbüro. Zuletzt hatten die Kölner die Sitze in ihrem Konzertsaal vor knapp 20 Jahren sanieren lassen.

Für die Oberpleiser ist der Auftrag der Philharmonie mit einem Umfang von rund 850 000 Euro ein Großprojekt. „Die Auftragslage ist insgesamt gut“, sagt Andreas Fertig, der die Mehrheit an dem Unternehmen 2013 von der Gründerfamilie Brune übernommen hatte. Erstmals rechnet er für 2017 mit einem Umsatz in zweistelliger Millionenhöhe. Das wäre ein Plus von rund 20 Prozent. Auch im Vorjahr sei Brune bereits deutlich gewachsen und beschäftigt heute 43 Mitarbeiter in Oberpleis und weitere 16 in Sachsen-Anhalt. „Die Übernahme war für mich durchaus ein Wagnis“, sagt der Unternehmer, der ursprünglich als Manager zu Brune gekommen war. „Aber unsere Strategie der Konzentration auf hochwertiges Design hat funktioniert.“ So stehe als nächstes Großprojekt die Bestuhlung der Rhein-Main-Halle in Wiesbaden an. Die Oberpleiser haben zuletzt die Konferenzanlage für das Auditorium der Essener Villa Hügel eingerichtet sowie das neue Mariott Hotel in Bonn.

In Köln haben die Nachtarbeiter schon erste Rückmeldungen der Konzertbesucher für ihre Arbeit erhalten. „Abonnenten, die immer auf dem gleichen Platz sitzen, haben sich gewundert, warum dieser plötzlich bequemer sei“, berichtet Birrenbach.

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