"Ohne Betriebsräte ginge es vielen schlechter"

Bis zum 31. Mai finden Betriebsratswahlen statt - Auch Bonner Unternehmen wie die Deutsche Post, Karstadt und Galeria Kaufhof kennen die Auseinandersetzungen

"Ohne Betriebsräte ginge es vielen schlechter"
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Bonn. Teufelszeug für die Einen, unverzichtbare Notwendigkeit für die Anderen: Betriebsräte vertreten die Belegschaft gegenüber der Geschäftsleitung oder dem Arbeitgeber. Ob Urlaubsplanung, Stellenabbau oder Umstrukturierung: Für Fragen, die nicht jeder einzeln verhandeln kann, sind Betriebsräte Ansprechpartner.

Und das nicht nur für die Beschäftigten. Während sich Inhaber kleiner Betriebe meist schwer mit einer betrieblichen Interessenvertretung tun, klingt das Urteil betriebratsgewöhnter Chefs schon deutlich besser. Nach einer Studie der Ruhr-Universität Bochum stufen 72 Prozent der Geschäftsführer die Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmer-Vertretern als "gut oder sogar sehr gut" ein.

Auch der Großteil der Betriebsräte beurteile die Zusammenarbeit als gut, wenn das Urteil auch kritischer ausfalle. Die Forscher hatten mehr als 3 000 Unternehmer befragt. Auffällig sei allerdings, dass das Urteil umso schlechter ausfällt, je weniger eigene Erfahrungen die Befragten mit der Materie haben. Auch die wirtschaftliche Situation spielt dabei eine Rolle.

Peter Prochnau, Ver.di-Geschäftsführer NRW-Süd: "Je weniger Verteilungskonflikte in den Betrieben zu lösen sind, desto besser ist die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung." Brunhilde Ehrenstein, Betriebsratsvorsitzende der Bonner Karstadt-Filiale, räumt mit einem Vorurteil auf: "Betriebsräte sind nicht alle Betonköpfe". Und ihr Kollege Peter Zysik von Galeria Kaufhof in Bonn ergänzt: "Betriebsräte haben keine Scheuklappen.

Sie leisten vielmehr Co-Manager-Arbeit." Heißt: Statt lediglich konventionelle Schutzpolitik für die Arbeitnehmer zu betreiben, bringt der Betriebsrat darüber hinaus eigene Themen und Aspekte ein, gestaltet Veränderungsprozesse mit. Davon hat es in der Vergangenheit jede Menge gegeben. Und es ist kein Ende absehbar.

Hans Otto Gerstner, freigestellter Betriebsrat der Deutschen Post AG, Niederlassung Brief, kennt sich damit aus. Seit die alte Bundespost zur Deutschen Post AG wurde, hat er jede Menge Arbeit: Outsourcing, neue Arbeitszeitmodelle, unsichere Beschäftigungsverhältnisse durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz, veränderte Zustellbezirke sowie die Konkurrenz durch andere Unternehmen beschäftigen den Ver.di-Funktionär.

Für Gerstner steht fest: "Nicht über den Preis, sondern nur über Qualität ist der Wettbewerb zu gewinnen." Sein Hauptanliegen ist deshalb, Vollzeitarbeitsplätze zu erhalten und Auszubildende nach der Lehre zu übernehmen, "damit junge Menschen eine Perspektive bekommen".

Seine Gewerkschaftskollegin Brunhilde Ehrenstein pflichtet ihm bei: "Es ergibt keinen Sinn, drei Jahre in junge Leute zu investieren und sie dann nicht zu beschäftigen." Auch wenn die Karstadt-Betriebsratsvorsitzende, die kürzlich im Amt bestätigt wurde, in Bonn einen guten Standort erwischt hat - Probleme gibt es im Einzelhandel zur Genüge.

Vor allem befristete Arbeitsverhältnisse machten es den Beschäftigten schwer, ihr Leben und größere Investitionen zu planen. Hinzu kommen die verlängerten Öffnungzeiten, die für die Beschäftigten - zu etwa 70 Prozent Frauen, davon viele alleinerziehend - mitunter nur schwer zu bewältigen sind.

Von den Vorzügen des Bonner Standorts mit seiner vergleichsweise hohen Kaufkraft, geringen Arbeitslosigkeit und "schlüssigem Zentrenkonzept" profitiert auch Peter Zysik von Galeria Kaufhof. "Hier ist der betriebswirtschaftliche Erfolg fast garantiert", sagt Zysik.

Dennoch treibt den Betriebsratsvorsitzenden vor allem eines um: die Sicherung der Arbeitsplätze. Deshalb engagiert sich der ehrenamtliche Ver.di-Funktionär Zysik nicht nur im eigenen Betrieb, sondern ist auch mit den Verantwortlichen der Kommunalpolitik im Gespräch, von deren Entscheidungen der Verkaufserfolg der Geschäfte in der City letztlich auch abhängt.

Warum Zysik vor allem "Menschen in unbefristeten Vollzeitstellen halten und Auszubildende in Vollzeit übernehmen" will, rechnet er schnell vor. Bei Verkäufer-Gehältern zwischen 1 358 Euro brutto bis höchstens 1 986 Euro für Vollzeit-Beschäftigte sind die Spielräume zur Sicherung des Lebensunterhalts begrenzt.

Eine weitere Aufgabe besteht darin, angesichts zunehmender Ladenöffnungszeiten flexible Arbeitszeitmodelle auszuarbeiten, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zumindest weitgehend ermöglichen. Seine Kolleginnen und Kollegen im Kaufhof hat er aufgefordert, selbst Vorschläge zu unterbreiten. "Dabei haben wir eine intelligente Lösung mit großer Schnittmenge gefunden", sagt Zysik.

Ohne Betriebsrat, das steht für Peter Prochnau fest, ginge es vielen Beschäftigten deutlich schlechter. "In Unternehmen ohne Betriebsrat", sagt der Gewerkschafter, "wird schneller gekündigt, findet Beschäftigungssicherung in weitaus geringerem Maße statt."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar "Meckern reicht nicht"

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