Onlinehandel Paketzusteller geraten an ihre Grenzen

Bonn · Der Boom beim Onlinehandel hat neue Höhen erklommen. Der Städte- und Gemeindebund fordert, die Sendungen aller Dienstleister zu bündeln.

„Danke dafür, dass Du Dich getraut hast, das Paket anzunehmen.“ Wenn Nachbarn in diesen Tagen Paketsendungen abholen, ist dieser Spruch häufiger zu hören. Die Warnhinweise nach Bekanntwerden der DHL-Erpressung führen bei Verbrauchern zu besonderer Aufmerksamkeit, aber halten offenbar kaum jemanden davon ab, im Internet zu bestellen und sich die Ware zuschicken zu lassen. Die Vorsicht öffnet mit.

Der Boom beim Onlinehandel hat neue Höhen erklommen. An den Spitzentagen erwarten die Paketdienste bis zu 20 Millionen Pakete. Allein der Branchenführer DHL rechnet nach eigenen Angaben mit bis zu 8,5 Millionen Sendungen. „Alle Versender erwarten das mengenmäßig stärkste Jahr der Geschichte“, sagt der Sprecher des Handelskonzerns Otto, zu dem der Paketdienst Hermes gehört.

Auf den Straßen sind die Zustellerfahrzeuge von Post DHL, Hermes, UPS und Co. nicht zu übersehen. Oft in zweiter Reihe geparkt, nicht selten den Verkehr behindernd. Schon warnen erste Stimmen vor einem „Paketkollaps“ oder „Verkehrsinfarkt“.

Inzwischen scheint der gigantische Erfolg der Onlinehändler etliche der Vorteile zu unterhöhlen. Das erleben die Konsumenten, die in diesen Wochen oft tagelang vergeblich auf bestellte Sendung warten oder sich beim Abholen der Pakete in Postfilialen oder Paketstationen in lange Schlangen einreihen müssen. „Die wachsende Transportnachfrage ist mit den vorhandenen Kapazitäten des Verkehrssektors nur noch unter größten Anstrengungen zu bewältigen“, warnte bereits der Deutsche Speditions- und Logistikverband.

Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Wurden 2016 in Deutschland rund 3,16 Milliarden Pakete und Päckchen ausgeliefert, so erwartet der Bundesverband Paket & Expresslogistik bis 2021 noch einmal eine Milliarde Sendungen mehr. Schließlich werden auch immer öfter Lebensmittel, Möbel und Heimwerkerbedarf online bestellt.

Händeringend suchen die Branche und die Kommunen inzwischen nach Lösungen. Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund etwa fordert: „Wir brauchen eine Lösung, die die Zustellung bündelt und die sowohl die Wohngebiete als auch die Innenstädte vom Lieferverkehr entlastet.“ Die Idee: Die Lieferanten wie Amazon oder Zalando sollen ihre Pakete zunächst an ein allen Anbietern zugängliches Lager am Stadtrand bringen. Von dort sollen die Pakete dann gebündelt zugestellt werden, so dass nicht mehr Laster von Post, Hermes, DPD und UPS nacheinander dieselbe Straße ansteuern.

Auf Zustimmung stößt die Forderung nach einer gebündelten Zustellung allerdings bislang vor allem beim Marktführer Deutsche Post DHL. Postchef Frank Appel: „Es wäre ein guter Schritt, wenn eine Stadt per Ausschreibung einen Anbieter bestimmt, der tatsächlich die ganze Stadt bedient.“ Die Konkurrenten wollen davon nichts wissen. Für den Bundesverband Paket- und Expresslogistik, in dem die Post-Rivalen zusammengefasst sind, steht fest: „Konsolidierte Zustellung löst keine Probleme auf der letzten Meile“. Vielmehr sei dadurch „mit hohen Qualitätseinbußen für die Paketempfänger zu rechnen“.

Einfach weitermachen ist aber trotzdem keine Alternative. Die Branche experimentiert mit Drohnen und Lieferrobotern. Doch wirklich vielversprechend wirkt das alles bisher nicht. Die Lösungen dürften wohl am Ende deutlich bodenständiger sein. Der Präsident des Bundesverbandes Onlinehandel, Oliver Prothmann, etwa prognostizierte kürzlich: „In Zukunft kann nicht mehr im gleichen Umfang an die Haustür geliefert werden.“

Allein steht er damit nicht. Auch Hermes-Geschäftsführer Frank Rausch ist überzeugt, dass das Abholen von Sendungen beim Paketshop oder Paketkasten in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Der Geschäftsführer des Paketdienstes DPD, Boris Winkelmann, meinte kürzlich in einem Interview sogar: „In der Zukunft könnte es so kommen, dass die Paketdienste standardmäßig an den Paketshop liefern.“ Die Lieferung nach Hause müsse dann extra bezahlt werden.

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