Urlaub in Corona-Zeiten Verbraucherzentrale: Reiseveranstalter müssen Geld zurückzahlen

Bonn · Viele Kunden von Reiseveranstaltern bedauern nicht nur ihren ausgefallenen Urlaub, sondern fürchten auch um ihr Geld. Laut der Verbraucherzentrale müssen Reiseveranstalter den Preis voll erstatten. Wer selbst storniert, begibt sich rechtlich in eine Grauzone.

 Ein Strand in Athen, Griechenland: Etliche Kunden fürchten bei abgesagten Reisen um ihr Geld.

Ein Strand in Athen, Griechenland: Etliche Kunden fürchten bei abgesagten Reisen um ihr Geld.

Foto: dpa/Lefteris Partsalis

Pleite statt Playa? Während die Regierungen der EU-Staaten einen Neustart für den innereuropäischen Tourismus ab Mitte Juni ins Auge fassen, bedauern viele Kunden deutscher Reiseveranstalter nicht nur ihren ausgefallenen Urlaub. Etliche fürchten um ihr Geld. Auch Hartmut Benthien aus Odendorf wäre eigentlich gerade von einer zehntägigen Flugreise nach Mallorca zurückgekehrt. 350 Euro hatte er beim Direktvermarkter Trendtours bereits angezahlt, bevor klar war, dass die Reise ausfallen würde. Seit Wochen wartet Benthien nun auf die Rückzahlung seines Geldes. „Die ducken sich einfach weg und sind für Kunden nicht erreichbar, ärgert sich der Stammkunde, der bereits weitere Fernreisen bei dem Billiganbieter gebucht hat. Nur geworben werde fleißig, beobachtet er.

Benthien ist kein Einzelfall. Allein bei Susanne Bauer-Jautz, Leiterin der Bonner Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW, landen täglich fünf bis zehn Fälle aus dem Reiserecht auf dem Schreibtisch. „Ich habe den Eindruck, das Thema Urlaub beschäftigt die Menschen derzeit fast ausschließlich“. Kosten für Pauschalreisen, die in Folge der weltweiten Reisewarnung ausgefallen sind oder ausfallen, müssten vollständig erstattet werden, erklärt Bauer-Jautz. „Viele Anbieter bieten unerlaubt zuerst Gutscheine an, aber darauf muss sich der Kunde nicht einlassen“. Die Entschädigung habe in Geld zu erfolgen, wenn der Kunde nicht schriftlich einer anderen Lösung zustimme. Bei einer Absage rät sie, mit 14 Tagen Frist die Rückzahlung zu verlangen, wenn eine Umbuchung oder ein Gutschein für die Kunden nicht infrage kommt. Wegen der hohen Zahl von Fällen müsse aber mit einer längeren Bearbeitungszeit gerechnet werden. „Im Stakkato E-Mails zu verschicken, erhöht bei den Anbietern allenfalls den Arbeitsaufwand und verzögert insgesamt die Rückzahlung“, warnt sie. Falls das Unternehmen nicht reagiere, müsse der Kunde ein Mahnverfahren anstrengen. Die Drohung damit könne die Bearbeitung eventuell beschleunigen.

Europareisen ab dem 15. Juni wieder möglich

Anders liegt der Fall bei gebuchten Arrangements mit Abreise ab 15. Juni. Dann soll die weltweite Reisewarnung der Bundesregierung für die EU-Staaten, die Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island in länderspezifische Hinweise differenziert werden. „Ein Anspruch auf kostenlose Stornierung besteht dann nach geltender Rechtslage nicht mehr“, so Bauer-Jautz. Wer von sich aus storniert, muss damit die im Reisevertrag genannten Storno-Kosten bezahlen. Ängstlichen Kunden rät die Verbraucherschützerin, zu stornieren, solange die Kosten noch vertretbar sind. Finde die Reise nicht statt, könne man versuchen, das Geld zurückzufordern.

Wer grundsätzlich reisen möchte oder etwas mutiger ist, sollte nicht selbst absagen. Ist die Reise undurchführbar, wird der Veranstalter sie ohne Kosten absagen müssen. Oft geschehe das leider erst sehr kurzfristig, so Bauer-Jautz. Fraglich ist, ob der Veranstalter neben der Anzahlung auch den Restpreis verlangen kann, so lange er die Durchführung nicht schriftlich zusagt. Wer um die Liquidität eines Veranstalters fürchtet, könnte sozusagen Zug um Zug die Zahlung des Reisepreises gegen Aushändigung der Reiseunterlagen verlangen.

Der auf Reiserecht spezialisierte Jura-Professor Klaus Tonner geht in einem Gutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband sogar noch weiter. Tonner sieht ein Sonderkündigungsrecht für alle Pauschalreisen bis Ende August. Eine Durchführung im gebuchten Rahmen könne bis dahin wegen zahlreicher Einschränkungen bei Flügen, Hotels oder Ausflügen nicht gewährleistet werden. Sein Kollege Ernst Führich widerspricht dieser Auffassung: Urlauber trügen ein allgemeines Reise- und Lebensrisiko, sagte er der Fachzeitschrift touristik aktuell. So müssten Reisende Unannehmlichkeiten zur Virenabwehr während des Urlaubs ersatzlos hinnehmen.

Bei Trendtours bittet ein Sprecher im Auftrag des Unternehmens gegenüber unserer Redaktion um Verständnis. „In den ersten sechs Wochen der Krise hatten wir mehr Anfragen als sonst im gesamten Jahr“, sagt er. Auf Kurzarbeit habe man trotz fehlender Einnahmen deshalb verzichten müssen. Dass Kunden in den ersten Wochen automatisch umgebucht worden seien, sei ein Fehler gewesen. Inzwischen sei auch das Storno-Schreiben angepasst worden und stelle einen Gutschein lediglich zur Wahl. Alle Reisen mit Abreisetermin bis zum 10. April seien inzwischen erstattet worden. Da mittlerweile alle Reisen bis Ende Juni abgesagt worden seien, hätte Hartmut Benthien längst eine Information von Trendtours bekommen müssen. „Wir haben das überprüft und festgestellt, dass er dem Kundenservice leider durchgerutscht ist“, so der Sprecher. Das Unternehmen hat sich nach der GA-Anfrage bei Benthien entschuldigt.

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