Interview Rewe-Chef hat keine Angst vor russischer Konkurrenz

Köln · Rewe-Chef Lionel Souque spricht im GA-Interview über Tierwohl-Label, Einkaufen im Internet, konkurrierende Supermärkte aus Russland und seine Hoffnungen für den 1. FC Köln.

Mit FC-Maskottchen Hennes: Rewe-Vorstandsvorsitzender Lionel Souque.

Mit FC-Maskottchen Hennes: Rewe-Vorstandsvorsitzender Lionel Souque.

Foto: Nabil Hanano

Rewe gilt als Vorreiter im Online-Lebensmittelhandel, kaufen Sie selber Essen im Internet?

Lionel Souque: Ich persönlich gehe am liebsten in Läden. Aber meine Frau kauft viel online, ab und zu auch Lebensmittel.

Die meisten Deutschen sind ähnlich zögerlich. Bereuen Sie die hohen Investitionen in dem Feld?

Souque: Überhaupt nicht! Uns geht es kurzfristig gar nicht darum, im Internet-Lebensmittelhandel Geld zu verdienen. Wir sehen das als Investition in die Zukunft. Erst einmal ist es wichtig, dass die Technik in unserem neuen automatischen Online-Verteilzentrum in Köln-Niehl läuft, denn die ist europaweit einzigartig und extra für uns entwickelt worden. Damit sind wir sehr zufrieden. Dazu kommt, dass wir Online-Bestellungen unseren Kunden als zusätzlichen Service anbieten wollen und müssen. Aber es stimmt, dass die Nachfrage nach Internet-Lebensmittelbestellungen in Deutschland nicht exponentiell gewachsen ist, wie es viele vermutet haben. Es geht langsamer voran. Wenn sich die Nachfrage in Deutschland allerdings beschleunigt, liegen wir mit unserem Angebot vorne.

Wer kauft online, und was wird gekauft?

Souque: Die Produkte unterscheiden sich gar nicht so sehr von denen, die im Markt gekauft werden. Bei Frischware wie Obst und Gemüse sind viele Besteller noch zurückhaltend, dabei sehen wir gerade dort unsere Stärke als erfahrener Lebensmitteleinzelhändler. Die Kunden sind sehr unterschiedlich. Das können junge Familien sein, die keine Zeit für den Supermarktbesuch haben oder ältere Menschen, die das Haus nicht mehr verlassen können. Die Mehrheit der Deutschen kauft nach wie vor lieber in Läden Lebensmittel.

Wird die Digitalisierung also überschätzt?

Souque: Der reine Lieferservice ist für mich nur die Spitze des Eisbergs der Digitalisierung. Es geht vor allem darum, wie wir die Geschäftsmodelle und Prozesse unseres Konzerns im Handel und in der Touristik weiterentwickeln und erneuern können. Für unsere Kunden wird das an vielen Stellen spürbar. Eine große Zukunft sehen wir etwa für Smartphone-Anwendungen. Wir bieten zum Beispiel über unsere App Rezepte an, deren Zutaten direkt bestellt werden können. Und wir nutzen Algorithmen, die nicht nur das Wetter und das Auftreten von Feiertagen in die Berechnungen einbeziehen, um immer präziser bestimmen zu können, welche Waren in welchem Markt in welchem Umfang geordert werden müssen. Künstliche Intelligenz hilft uns, diese Algorithmen weiter zu präzisieren.

Wird es bald einen Rewe-Markt mit rein digitaler Zahlung ohne Kassen geben, wie ihn Amazon in den USA eröffnet hat?

Souque: Einen Markt ganz ohne Kassen wird es bei der Rewe zumindest in diesem Jahr noch nicht geben. Dafür ist das Sortiment eines durchschnittlichen Rewe-Supermarktes von mehr als 10.000 Artikeln viel zu groß. Aber wir beobachten die Entwicklung verschiedener technischer Systeme sehr genau. In China zum Beispiel laufen Zahlungen im Einzelhandel fast nur noch über Smartphones.

Im Billig-Segment gibt es in Ostdeutschland mit dem russischen Discounter Mere neue Konkurrenz für die Rewe-Tochter Penny.

Souque: Die mussten nach einer Woche schließen, weil ihnen die Waren ausgegangen sind. Das erscheint mir doch recht amateurhaft. Aber wir nehmen natürlich jede Konkurrenz ernst, und ich will nicht ausschließen, dass es in Deutschland eine Nachfrage nach Billiglebensmitteln unter dem Preisniveau der Discounter gibt. Aber Mere ist nicht gerade unsere größte Herausforderung.

Was sind denn die größten Herausforderungen?

Souque: Zum einen die Personalgewinnung. Wir stellen jedes Jahr 20.000 neue Mitarbeiter ein, und die sind nicht leicht zu finden. Dazu kommen die Herausforderungen der Digitalisierung und des demografischen Wandels. Wir müssen uns mit unserem Sortiment und unserer Immobilienplanung darauf einstellen, dass es immer weniger und immer ältere Menschen in Deutschland gibt. Gleichzeitig nimmt die Regulierung zu.

Die Bundesregierung hat in dieser Woche ein staatliches Tierwohl-Label angekündigt. Rewe beteiligt sich bereits an einer Fleischkennzeichnung des Einzelhandels, die Auskunft über die Tierhaltung gibt.

Souque: Wir sind Initiator und Mitbegründer der Initiative Tierwohl, aber wir haben immer auch für ein verbindliches Label für alle Einzelhändler plädiert. Die Spielregeln müssen für alle Unternehmen gelten. Über die einzelnen Kriterien lässt sich dann diskutieren.

In der aktuellen Rewe-Werbung gibt es Schweinebraten für 4,99 Euro das Kilo und Putenschnitzel für 6,99 Euro. Wie passt das mit Engagement für das Tierwohl zusammen?

Souque: Die Kunden sind nach wie vor sehr stark am Preis orientiert. Wir müssen beides anbieten: Fleisch aus herkömmlicher Haltung und verbesserter Haltung. Denn nicht jeder kann sich das teurere Fleisch leisten. Aber die Nachfrage nach regionalen Produkten und Bio-Fleisch wächst.

Wie steht es bei Eiern mit dem Tierschutz?

Souque: Rewe hat ein eigenes Verfahren entwickeln lassen, um das Geschlecht von Küken schon im Ei zu ermitteln. Dadurch müssen männliche Küken nicht mehr nach dem Schlüpfen getötet werden. Wir sind die Einzigen, die so ein Verfahren derzeit anwenden, wenn auch bisher nur in geringem Umfang. Nach unserer Erfahrung honoriert zumindest ein Teil der Kunden das auch.

Fürchtet Rewe den Brexit?

Souque: Als Unternehmen trifft uns das nicht so stark. Wir sind lediglich mit unserer Touristiksparte in Großbritannien vertreten. Aber die Entwicklung in Europa macht mir große Sorgen. In Zeiten des Handelsstreits mit den USA sollten wir uns als starke Einheit präsentieren. Stattdessen besteht bei der Europawahl die Gefahr, dass Ex-tremisten viele Stimmen erhalten. Die Wirtschaftsprognosen gehen bereits zurück. Ich hoffe sehr, dass Europa wieder an Bedeutung gewinnt.

Obwohl die EU gerade erst die Marktmacht der Handelskonzerne eingeschränkt hat?

Souque: Da waren wir natürlich nicht begeistert. Viele Politiker haben ein falsches und negatives Bild vom Einzelhandel. Sie verkennen, dass jeder siebte Beschäftigte in Europa im Einzelhandel tätig ist und wir somit einer der größten Arbeitgeber sind. Die Verbraucher profitieren am Ende von unseren guten Preisverhandlungen.

Sie leben als Franzose seit Jahren in Deutschland. Wundern Sie sich im Arbeitsalltag trotzdem manchmal noch?

Souque: Wir Franzosen sind historisch sehr an gutem Essen interessiert. Das Lebensmittelangebot in den deutschen Supermärkten hat sich in den vergangenen Jahren aber stark verbessert. Und für die Deutschen wird das Thema gesunde Ernährung immer bedeutender. Deshalb sind Lebensmittel jetzt ein wichtiges Thema, das zeigen auch die ganzen Kochshows. Trotzdem wundere ich mich manchmal, dass manche hierzulande bereit sind, riesige Summen für ihre Autos auszugeben, aber bei Lebensmitteln oft auf jeden Cent achten. Alufelgen zum Beispiel sind offenbar ein großes Thema, ich weiß nicht einmal das französische Wort dafür (lacht).

Rewe ist der Trikotsponsor des 1. FC Köln. Ist es für das Unternehmen wichtig, ob der Verein in der 1. oder der 2. Liga spielt?

Souque: Ich glaube nicht, dass die Leute mehr bei uns einkaufen, wenn der FC in der 1. Liga spielt. Wir zahlen in der 2. Liga weniger für die Trikotwerbung, aber wir zahlen lieber mehr und der FC spielt in der 1. Bundesliga. Dann gibt es auch eine breitere Berichterstattung und die ganze Sache macht auch mehr Spaß.

Steigt der 1.FC Köln auf?

Souque: Ja! Die Rückkehr in die 1. Liga ist das Ziel des gesamten Vereins und aller Fans. Das ist allerdings kein Selbstläufer, in der 2. Liga wird bis zum Ende gekämpft. Deshalb hat sich der FC in der Winterpause auch noch mal gut verstärkt.

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