Schulbank wird in die Werkshalle verlegt

Bad Honnefer Realschule Sankt Josef und Firma ABB Transformatoren schließen Kooperationsvertrag - Die Jugendlichen sollen praxisnah lernen

Bad Honnef. Im Physikunterricht nur Theorie büffeln oder ein Bewerbungstraining, bei dem anstatt Frauen und Männer aus der Wirtschaft Lehrer gegenüber sitzen - beides soll für die Schüler der Realschule Sankt Josef bald der Vergangenheit angehören. Die Schule hat einen Kooperationsvertrag mit der ABB Transformatoren GmbH geschlossen.

Ziel der Lernpartnerschaft, die vom Kooperationsnetz Unternehmen der Region und Schulen (KURS) initiiert wurde, ist es, den Schülern die Arbeitswelt näher zu bringen. "Die Schule darf kein abgeschotteter Raum sein. Sie muss sich mehr einbringen in die Gesellschaft. Dazu gehört auch, auf die Industrie zuzugehen", sagte die Lehrerin Ursula Holtkamp-Wimmer, neue Kooperationsmanagerin an der Realschule.

Für die Schüler sei es wichtig, möglichst früh die Arbeitswelt und -realität kennen zu lernen. Das bestätigte Christoph Merschhemke vom Institut Industrie und Schule, dem Träger von KURS: "Laut Pisa-Studie ist es ein gravierendes Problem, dass die Schüler das im Unterricht vermittelte Wissen in der Wirklichkeit nur schlecht anwenden können." Mehr Praxisbezug sei nötig.

Sein Kollege Marco Schlegel ergänzte: Außerdem klagten Personalchefs immer wieder darüber, dass Schülern so genannte Schlüsselqualifikationen fehlen wie Rechtsschreibung, Ausdrucksfähigkeit, Fremdsprachen- und Informatikkenntnisse, darüber hinaus soziale Kompetenzen wie Pünktlichkeit, Teamfähigkeit und anderes. Durch den frühzeitigen Kontakt zur Arbeitswelt könne Jugendlichen vermittelt werden, was gefordert wird, um im Beruf bestehen zu können.

Auch der Kooperationspartner ABB begrüßt, dass die Schüler rechtzeitig "fit für die Wirtschaft" gemacht werden sollen: "Wir hoffen natürlich, über die Zusammenarbeit auch motivierte und qualifizierte Auszubildende für unser Unternehmen gewinnen zu können", erklärten Sara Engel und Christine Janze, die zuständigen Mitarbeiter von der Personalabteilung. Die Zusammenarbeit soll nicht nur im Physikunterricht erfolgen, sondern auch in den Fächern Englisch oder Sozialwissenschaften, etwa durch Themen wie Wirtschafts-Englisch, Marketing oder industrielle Produktion.

Fächerübergreifend ist auch das Bewerbungstraining für die Jahrgangsstufe neun, mit dem bald begonnen wird: Die Schüler bewerben sich auf eine fiktive ABB-Stellenanzeige und besprechen ihr Schreiben mit den Experten der Personalabteilung. Darüber hinaus ist geplant, Physikunterricht in der Ausbildungswerkstatt durchzuführen und Auszubildende in die Schule einzuladen.

Erste Kontakte zu dem Bad Honnefer Unternehmen hatte die Realschule 2001 geknüpft: "ABB hat anlässlich unseres 100-Jährigen Schuljubiläums eine Gedenktafel gesponsort, die an die Aufenthalte der schwedischen Königin Sofie erinnert", sagte Schulleiter Horst Seel. Es folgten gegenseitige Besuche, bei denen immer ein gutes Klima geherrscht habe: "Man verstand sich auf Anhieb." Da seien dann gar keine größeren Anstöße mehr nötig gewesen, um das Projekt zum Laufen zu bringen.

"Besonders wichtig waren für uns auch die räumliche Nähe und dass ABB ein weltweit agierendes Unternehmen ist." Bereits vor der Vertragsunterzeichnung wurde als Probelauf ein erstes gemeinsames Projekt realisiert: Eine Ausstellung zur Geschichte und unternehmerischen Entwicklung von ABB - passend zum Lehrstoff des Geschichtsunterrichts "Industrialisierung" -, die beim Tag der offenen Tür in der Schule zu sehen war.

Die Zusammenarbeit soll weiter entwickelt werden: "Unsere Devise heißt Schritt für Schritt", betonte Seel, "denn nicht die Quantität, sondern die Qualität zählt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort