GA-Serie "Lehrstellen-Check" So sieht die Arbeit eines Altenpflegers aus

Alfter · Volontärin Elena Sebening hat einen Tag lang ein Team vom Pflegedienst Wentland bei der Tour durch Alfter begleitet und Einblick in die Ausbildung zum Altenpfleger gewonnen.

Um acht Uhr kommt Martin Wilkens mit dem kleinen weißen Polo angefahren. Die Tasche mit Medikamenten, Einmalhandschuhen und Desinfektionsspray ist bereits fertig gepackt. Für einen Tag darf ich die Tour des ambulanten Pflegedienstes begleiten und erfahre, was die Ausbildung zum Altenpfleger beim Pflegeteam Wentland ausmacht. Gemeinsam mit der Auszubildenden Naziha Boudouft und der Leiterin des Marketings, Evelyn Wentland, machen wir uns auf dem Weg zur ersten Kundin. „Patienten klingt viel zu sehr nach Arzt oder Krankenhaus“, erklärt Evelyn Wentland.

Die Alfterer Tour startet eigentlich um 6 Uhr – Martin ist also bereits zwei Stunden allein unterwegs gewesen, als er uns abholt. Für Naziha startet der Tag dank der sogenannten „Mami-Touren“ erst um acht Uhr. Dies gibt Elternteilen wie ihr die Möglichkeit, ihre Kinder noch zur Schule zu bringen, bevor die Arbeit beginnt. „Es ist für uns schon ein ziemlicher organisatorischer Aufwand, aber umso wichtiger, unseren Mitarbeitern in dieser Hinsicht entgegenzukommen“, betont Evelyn Wentland.

"Jeder hat andere Wünsche"

Bei der ersten Kundin lerne ich eine App kennen, mit der die Arbeitszeit des ambulanten Dienstes erfasst wird. Für jeden Kunden gibt es einen kalkulierten Zeitraum, je nach benötigter Leistung. Einige Kunden auf der Tour bekommen von uns lediglich eine Tablettenration für die Woche. „Das ist meist der Einstieg in die Pflegebedürftigkeit“, erklärt Martin. Die Kunden sind aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in der Lage, ihre Tabletten selbst zu rationieren und die Einnahmen zu planen. Die erste Kundin, bei der wir Halt machen, muss geduscht werden und bekommt danach Kompressionsstrümpfe angezogen. Mit diesen orthopädischen Strümpfen wird von außen Druck auf das Gewebe des Beines erzeugt, um dessen geschädigtes Venen- oder Lymphsystem zu entlasten.

Sowohl beim An- als auch beim Ausziehen dieser Strümpfe brauchen viele ältere Menschen Hilfe. Deswegen gibt es Touren, die morgens den Kunden die Strümpfe anziehen, und Spättouren, die abends zum Ausziehen derselbigen vorbeikommen. „Jeder hat andere Wünsche, wie oft wir vorbeikommen, und natürlich läuft das ebenfalls in Kombination mit dem, was die Krankenkassen genehmigen“, erklärt Martin.

Als ich einem Kunden die Kompressionsstrümpfe anziehe, wird mir schnell bewusst, dass man in diesem Job körperlich fit sein muss. Was simpel klingt, stellt für mich an diesem Tag die größte Herausforderung dar. Naziha zeigt mir Schritt für Schritt ihre Technik. Ich drehe den Strumpf erst auf links, greife hinein und arbeite mich dann mühevoll mit den schier unendlich eng wirkenden Strümpfen von den Zehen zur Ferse vor. Danach geht es etwas leichter.

Die Königsdisziplin ist die Kompressionsstrumpfhose

„Wenn nur die kleinste Falte in diesen Strümpfen entsteht, kann dass sogar offene Wunden erzeugen“, erklärt mir Martin und ich werde noch etwas aufgeregter. Als es dann aber geschafft ist, bin ich mächtig stolz und bemerke im gleichen Augenblick, wie anstrengend für mich bloß dieser eine Strumpf gewesen ist. Aber Naziha ermuntert mich: „Mit der Zeit bekommt man immer mehr Übung und Tipps von Kollegen für weitere Techniken.“

„Die Königsdisziplin ist dann die Kompressionsstrumpfhose“, sagt Martin und lacht. Der 32-Jährige arbeitet seit fünf Jahren in der Pflege. „Vorher war ich in einem Pflegeheim in Endenich, aber nach der Ausbildung bin ich direkt zu Wentland gegangen“, erzählt er. Die ambulante Arbeit bei Wentland war einer seiner Fremdeinsätze, die zur dreijährigen Ausbildung gehören und Einblicke in weitere Facetten der Altenpflege geben sollen. Wichtig sei es in dem Beruf, in jeder Situation schnell zu reagieren.

„Kein Tag ist wie der andere. Es kann immer etwas passieren, womit man nicht gerechnet hat“, erklärt Wilkens. Doch die Dankbarkeit der Kunden gibt ihm viel zurück. „Das ist wirklich das Schönste an dem Beruf“, findet auch die Auszubildende Naziha Boudouft. „Jeden Tag kann ich nach Hause gehen und weiß, ich habe etwas Gutes getan.“ Sie begleitet die Touren von Martin, alleine unterwegs sind nur fertig ausgebildete Altenpfleger.

„Viele sagen ja über den Beruf: 'Das könnte ich nicht', aber ich glaube, das stimmt nicht. Man entwickelt mit der Zeit einen ganz anderen Blick auf die Dinge“, sagt Martin. „Natürlich ist es anfangs nicht immer leicht, es gibt ungewohnte Situationen. Aber jeder von uns wird irgendwann mal alt und braucht diese Hilfe. Das muss man sich einfach sagen und dann fühlt es sich schon anders an“, findet Naziha.

Der Reiz des Berufs

„Außerdem möchte doch jeder von uns im Alter angemessen gepflegt werden. Ich behandle alle so, wie ich es mir für mich auch wünschen würde“, sagt die 29-Jährige. Oft sei es natürlich trotzdem so, dass die Kunden sich noch mehr Zeit wünschen. „Da muss man eigentlich täglich Grenzen setzen“, sagt Martin. Er selbst ist eigentlich gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und hat im Anschluss noch eine weitere Ausbildung angefangen. „Die Tätigkeit im Büro hat mich nicht erfüllt. Jetzt kann ich den Menschen wirklich helfen.“

Viele gehen einen ähnlichen Weg und entdecken den Beruf erst später für sich. So hat der Auszubildende Denniz Zurdel vorher im Einzelhandel gelernt: „Das war nichts für mich. Hier gehe ich eigentlich immer mit einem Lächeln nach Hause“, erzählt der 26-Jährige. Seit zwei Jahren arbeitet er in der Wohngemeinschaft. Dort leben zwölf pflege- und hilfsbedürftige Menschen. Bevor man die Ausbildung beginnt, ist ein Praktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr ratsam.

„Die Menschen bei ihrem individuellen Lebensentwurf zu begleiten, ist die Kunst – es vermischen sich bei uns medizinische Aspekte, psychologische und die ganzheitliche Versorgung, die nicht nur die Körperpflege beinhaltet“, erklärt mir Ausbilungskoordinator Paul Ehrhardt im Anschluss an unsere Tour. In den zwei Jahren, die er bei Wentland arbeitet, sind aus drei Auszubildenden 15 geworden. „Der Beruf hat eine Zukunft mit zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten. Außerdem können wir den Menschen jeden Tag etwas Gutes tun“, sagt der 28-Jährige.

Volontäre und freie Mitarbeiter verlassen für die Serie "Job oder Flop - Lehrstellen-Check" ihren Schreibtisch und werfen sich für einen Tag mitten ins Ausbildungsleben. Sie geben in ihren Reportagen Einblicke in den Alltag der vielfältigen Berufe, die sie selbst erlebt haben.

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