GA-Lehrstellencheck So wird man Lokführer

Köln · GA-Mitarbeiterin Marie Schneider lernt den Beruf des Lokführers kennen. Ein Tag mit dem Bonner Azubi Timo Wirtz, der sich einen Kindheitstraum erfüllt.

Der Bonner Auszubildende Timo Wirtz macht bei der Deutschen Bahn eine Ausbildung zum Lokführer.

Der Bonner Auszubildende Timo Wirtz macht bei der Deutschen Bahn eine Ausbildung zum Lokführer.

Foto: Marie Schneider

In hohem Tempo drückt Timo Wirtz die vielen kleinen Knöpfe vor sich, zieht einen Hebel und richtet seine Brille, dann fällt ihm ein: „Welcher Zug sind wir denn?“ „90051“, gibt der Instruktor über den Sprechfunk durch. Diese Information tippt Wirtz dann wiederum in einen seiner Bildschirme ein. Und dann setzt sich der Zug langsam in Bewegung, es ruckelt und wackelt. Auf den Schienen liegt Schnee, obwohl es in Köln bis dahin noch nicht geschneit hatte – Wirtz sitzt in einem Simulator.

Der 20-Jährige macht eine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer im Fernverkehr bei der Deutschen Bahn: „Für mich persönlich war das ein Kindheitstraum. Ich war schon immer an Eisenbahnen interessiert.“ Ihm sei auch schon lange klar gewesen, dass es der Fernverkehr werden sollte, weil er „rumkommen und mal andere Orte“ sehen wollte. Doch er weiß auch, dass seine Schichten von bis zu zwölf Stunden nichts mit Urlaub oder Reisen zu tun haben.

Bereitschaft zur Schichtarbeit

„Der Zug fährt zu jeder Minute, auch an Weihnachten und an Silvester“, erklärt Michael Schumann, Ausbildungsfachkoordinator für den Fernverkehr in Köln. Die Bereitschaft für Schichtarbeit müsse bei Interessierten vorhanden sein – Durchhaltevermögen sei gefragt, um die Ausbildung zum Lokführer zu schaffen. Und auch ein anderer Aspekt sei zu beachten: „Am Anfang ist die Ausbildung sehr theorielastig, das ist nicht wenig Stoff“, ergänzt Wirtz.

Die meiste Zeit ist der Azubi in seinem Betrieb in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs tätig. Häufig nimmt er auch an Seminaren im neuen DB-Trainingszentrum in Köln-Dellbrück teil. Hinzu kommt der Blockunterricht an der Berufsschule. Im ersten Jahr dieser trialen Ausbildung lernte Wirtz den Aufbau und die Abläufe im Bahnbetrieb kennen, erfuhr, welche Signale es auf der Strecke gibt und wofür sie gebraucht werden. Im DB-Trainingszentrum konnte er im Simulator schon erste Bahnfahrten erleben. Er klemmt den sogenannten Bremszettel vor den kleinen Bildschirm auf der rechten Seite des Steuerboards und tippt die darauf gekennzeichneten Daten zum Bremsvermögen und zur Länge des Zuges ein.

„Ich brauche die Daten, damit der Rechner mir die Bremskurve vorgibt“, sagt der Bonner. Hinter den Weichen kann Wirtz dann langsam die Geschwindigkeit auf 140 Stundenkilometer erhöhen.

Sicherheitsfahrschaltung nicht vergessen

Ist der Zug einmal ins Rollen gekommen, drückt der Azubi nur noch wenige Knöpfe. Die Sicherheitsfahrschaltung („Sifa“) darf Wirtz allerdings nicht vergessen: Mindestens alle 30 Sekunden muss er mit seinem Fuß einen Hebel betätigen, um dem System zu zeigen, dass er noch da ist. Denn falls er in Ohnmacht fallen oder einschlafen sollte und die Sifa nicht mehr betätigen kann, hält der Zug automatisch an. „Es gibt schon ziemlich viel zu beachten“, so Wirtz.

Sobald ein Bahnhof in Sicht ist oder Signale am Streckenrand erscheinen, fängt er wieder an, Hebel zu ziehen und Knöpfe zu drücken – jeder Griff sitzt, Wirtz scheint ganz in seinem Element zu sein. Nicht nur im Simulator hat der 20-Jährige bisher seine Fähigkeiten bewiesen. Er durfte auch schon mehrmals in einem richtigen Zug dem Fahrer über die Schulter blicken. Wie Züge gekuppelt oder Weichen gestellt werden, übt Wirtz dank virtueller Realität im neuen Trainingszentrum. Und so lernt er in einem Mix aus Theorie und Praxis alle Fähigkeiten kennen, die ein Lokführer haben sollte. Hinzu kommen Einblicke in andere Bereiche der Bahn.

In der Werkstatt lernt er zum Beispiel auch die Elektronik und Mechatronik eines Zuges kennen. So kann er bei einem Notfall einschätzen, ob er das Problem selber beseitigen kann oder zusätzliche Hilfe benötigt. Wirtz erfährt auch, wie Fahrdienstleiter arbeiten, um alle Blickwinkel auf eine Bahnfahrt zu kennen.

Lernen in der Innovationswerkstatt

Drei Tage lang hat er, wie alle Azubis bei der Deutschen Bahn, eine sogenannte Innovationswerkstatt im DB-Trainingszentrum besucht. In dem Raum stehen mehrere Stellwände, auf denen pinke, grüne und orangefarbene Post-its in allen möglichen Formen hängen. In einer Ecke türmt sich ein ganzer Berg aus Pappkartons fast bis unter die Decke, in einer anderen stehen Legofiguren.

„Wir wissen nicht, wie die Branche in Zukunft aussehen wird. Wir sind mit Problemstellungen umgeben, die es noch gar nicht gibt“, erklärt Felix Staab, sogenannter Lernbegleiter. Er leitete die Innovationswerkstatt, die Wirtz besucht hat.

Dabei werden Lösungsansätze für Fragen wie „Wie können wir Kunden besser informieren?“ oder „Wie können wir Azubis fördern?“ konzipiert. Im Vordergrund stehe immer das handlungsaktivierende Lernen: „Wir wollen Impulse geben, die Azubis sollen nicht nur kopieren, was wir vormachen“, so Staab.

Heute endet der Arbeitstag für Azubi Wirtz um 16 Uhr. Doch das kann ganz unterschiedlich sein – je nachdem, ob er beim DB-Training oder in der Berufsschule ist, oder ob er gerade die Schicht eines Lokführers übernimmt und mit einem Fahrtrainer unterwegs ist. Nur im Betrieb hat er immer zur gleichen Zeit Schluss: um 16.48 Uhr – an Pünktlichkeit muss er sich bei der Bahn schließlich schon während der Ausbildung gewöhnen.

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