Gastronomen leiden unter Corona-Krise Streit um Corona-Policen: Viele Versicherer zahlen nicht

München · Gastronomen macht die aktuelle Situation besonders zu schaffen. Viele haben hierzulande Betriebsschließungspolicen gekauft. Die decken vermeintlich Pandemieschäden ab. Viele Versicherer zahlen aber nicht.

 Gastronomie-Stühle stehen hochgeklappt an einem Haus in der sonst so belebten Simon-Dach-Straße in Berlin-Friedrichshain.

Gastronomie-Stühle stehen hochgeklappt an einem Haus in der sonst so belebten Simon-Dach-Straße in Berlin-Friedrichshain.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Kaum eine Berufsgruppe ist derzeit so hart vom Coronavirus getroffen wie Gastwirte. Aber viele von ihnen glauben, eine Police dagegen in Händen zu halten. Sie heißt Betriebsschließungsversicherung. Die springt ein, wenn ein Betrieb wegen Krankheit oder dem Auftreten von Erregern zusperren muss. „Wir haben etliche Fälle, wo sich Betroffene auch gegen Infektionsrisiken abgesichert wähnten“, sagt Hans-Georg Jenssen. Er ist Rechtsanwalt und Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler (BDVM). Das Problem sei, dass sich die meisten Versicherer querstellen. „Sie zahlen nicht“, sagt Jenssen. Zumindest treffe das auf einen Großteil der Konzerne zu. Es gebe aber auch Ausnahmen wie Signal-Iduna oder HDI.

„HDI zahlt und fühlt sich auch dazu verpflichtet“, sagt ein Sprecher des Konzerns in Hannover. Bei anderen wie Assekuranz-Marktführer Allianz ist das anders. Wobei sich dort ein Umdenken anbahnen könnte. „Wir lehnen nicht pauschal ab, sondern prüfen jeden Einzelfall“, sagt eine Allianz-Sprecherin zum immer heißer werdenden Eisen. Denn die Aufregung unter Gastronomen und beim BVDM ist groß.

Die Makler des Verbands müssen es derzeit ausbaden, dass vermeintlich gegen Corona versicherte Wirtsleute, die von ihrer Versicherung kein Geld bekommen, bei ihnen Zorn und Verzweiflung abladen. Jenssen hat deshalb einen Brandbrief verfasst und ist gerade dabei einen weiteren an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu schreiben. Der BDVM-Vorstand sieht ausgerechnet zu Corona-Zeiten ein grundsätzliches Glaubwürdigkeitsproblem.

„Eine Vielzahl von Kunden, die von der Leistungsablehnung betroffen sind, werden ihr Vorurteil bestätigt sehen, wenn es darauf ankommt, leisten Versicherer eben doch nicht“, kritisiert er und mahnt Solidarität der Versicherungswirtschaft an.

Solche Zweifel sieht der BDVM aber bei Betriebsschließungsunterbrechungen nicht einmal. Jenssen bereitet deshalb Musterklagen vor, bei denen er sich vor Gericht gute Chancen ausrechnet, Versicherungskonzerne zu Zahlungen zu zwingen. Um welche Summen es geht und wie viele der Policen im Umlauf sind, weiß oder sagt niemand. Es gebe dazu keine Zahlen, erklärt der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Versicherer selbst mauern. Es gehe um eine größere Zahl von Policen mit beträchtlichen dahinterstehenden Summen, vermutet Jenssen.

Sollte es auf Rechtsstreits hinauslaufen, müssten Kläger selbst im Erfolgsfall Jahre auf Geld vom Versicherer warten. Bleiben Versicherer hart, drohten Gruppenklagen, warnt Jenssen. Wegducken in der Krise sei ein schlechte Taktik.

Das hat die Assekuranz offenbar erkannt. Es gebe Gespräche mit der Politik auf Bundes- und Landesebene zur Einrichtung eines Solidarfonds nach französischem Vorbild, sagen mehrere Insider übereinstimmend.

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