Streit um Lotto eskaliert

Länderregierungen gehen im Lotto-Streit auf Konfrontationskurs zum Bonner Bundeskartellamt

Streit um Lotto eskaliert
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Hamburg/Bonn. (dpa) Im Kampf um die Öffnung des Lottomarktes gehen die meisten Bundesländer auf Konfrontationskurs zum Bundeskartellamt. Der Präsident des Kartellamts, Ulf Böge, warf den Länderregierungen am Mittwoch vor, im Streit um die Öffnung des Lottomarkts gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen zu haben.

Die gemeinsame Vereinbarung und die Anweisung zum Stopp der Internet-Angebote an die Lottogesellschaften seien "rechtswidrig" gewesen, sagte Böge der dpa. "Nach europäischem Recht war diese Anweisung unzulässig." Auch Länderregierungen müssten sich an dieses Recht halten.

Als erster Vertreter einer Landesregierung kritisierte der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) die Abmahnung der Bonner Wettbewerbshüter als Überschreitung von Kompetenzen. "Jetzt überspannt das Bundeskartellamt endgültig den Bogen", erklärte der Minister in München.

Die Behörde hatte am Vortag den Lottogesellschaften verboten, Anweisungen ihrer eigenen Landesregierungen zum Ende des Online-Spielangebots umzusetzen. Unterdessen dringt der Deutsche Lotto- und Totoblock auf eine juristische Klärung des Konflikts.

"Die Lottogesellschaften haben keine andere Wahl, als sich mit allen verfügbaren Rechtsmitteln gegen diese Zerreißprobe zu wenden, die sich aus dem vom Kartellamt provozierten Bund-Länder-Konflikt ergibt", sagte der Geschäftsführer der derzeit federführenden Land Brandenburg Lotto GmbH, Horst Mentrup, am Mittwoch in Potsdam. "Es kann nicht sein, dass dieser Streit auf dem Rücken der Lottogesellschaften ausgetragen wird."

Kartellamtschef Böge verwies darauf, dass die Lottogesellschaften zu der Abmahnung bis zum 30. November noch Stellung nehmen können. Auch stehe ihnen der Rechtsweg offen, um gegen die Entscheidung vorzugehen. Seine Behörde folge mit seinem Beschluss, den Lottogesellschaften zu untersagen, sich an die Anweisung der Länder zu halten, nur dem Recht und seiner Zuständigkeit, sagte Böge.

Daraus entstehende mögliche Konflikte zwischen den Gesellschaften und den Ländern spielten für Entscheidungen der Behörde keine Rolle. "Wir haben die Aufgabe, dass die kartellrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, egal wer dahinter steht."

Die betroffenen Lottogesellschaften wollen den Beschluss des Kartellamtes ignorieren und verweisen ihrerseits auf ihre Bindung an den Kurs ihrer Landesregierung. Als erste hatte Lotto Rheinland-Pfalz Kontra gegeben: "Wir fühlen uns dem Land gegenüber verpflichtet und nicht einer Bundesbehörde, die sich als Wettbewerbshüter versteht."

Ähnlich argumentierten dann weitere Lottogesellschaften. Lotto Sachsen-Anhalt betonte etwa, man unterliege dem Lotterie- und dem Ordnungsrecht. Für die vom Kartellamt geforderte bundesweite Öffnung liege keine Genehmigung vor.

Der Deutsche Lotto- und Totoblock sprach von einer "unverfrorenen These" des Kartellamtes, dass die Regierungen der Länder sich selbst kartellrechtswidrig verhielten.

"Das jüngste Schreiben aus Bonn entblößt den dortigen Amtseifer, wenn es eine zwischen den Ländervertretern getroffene Vereinbarung schlicht als nichtig abtut. Eine derartig krasse Belastung des Bund-Länder-Verhältnisses war bis heute weder zu verzeichnen noch vorstellbar."

Lediglich zwei Lottogesellschaften - in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen - bleiben bei ihrer Abwarteposition und halten ein offenes Internetangebot aufrecht. NordWestLotto Schleswig-Holstein, bislang auch in einer abwartenden Haltung, gibt dagegen sein Spielangebot im Internet auf, sprach aber ausdrücklich von einer "geschäftspolitischen Entscheidung".

Auch die Deutsche Klassenlotterie Berlin will ihr Onlineangebot aus "geschäftspolitischen Gründen" geschlossen halten, "und ausdrücklich nicht auf Weisung der Senatskanzlei".

Auf Länderseite wird zudem mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März argumentiert. Danach bleibt das staatliche Wettmonopol grundsätzlich zulässig, ist aber an strenge Vorgaben zum Kampf gegen die Spielsucht geknüpft. Ländern oder dem Bund wurde aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2007 eine Neuregelung zu erlassen.

Im Oktober hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder auf Eckpunkte eines neuen Lotterie-Staatsvertrages geeinigt, der das staatliche Monopol für Glücksspiele erhalten soll. Darüber wollen die Regierungschefs im Dezember beraten.

Dabei könnten die Bundesländer in Konflikt mit der EU-Kommission in Brüssel geraten. Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy hält den geplanten neuen Staatsvertrag für einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt. In letzter Konsequenz könnte dieser Konflikt in ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland münden.

Um einer vom Kartellamt angedrohten Millionenstrafe zu entgehen, hatten sich die Vertreter der Länder vor zwei Wochen mit Mehrheit darauf verständigt, den Online-Tipp bis auf weiteres ganz aus dem Internetangebot zu streichen und ihre Gesellschaften entsprechend angewiesen.

Sie wollten mit dem Stopp auch verhindern, dass die Gesellschaften ihr Angebot auch über die Ländergrenzen hätten öffnen müssen. Das Kartellamt will insgesamt im Rahmen des staatlichen Wettmonopols für mehr Konkurrenz beim staatlichen Lotto sorgen und auch eine regionale Marktaufteilung der 16-Länder-Gesellschaften in den jeweiligen Ländergrenzen aufheben.

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