Interview mit Thilo Brodtmann "TTIP darf auf keinen Fall scheitern"

BERLIN · Die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer sehen das umstrittene geplante Freihandelsabkommen TTIP ("Transatlantic Trade and Investment Partnership") zwischen EU und USA als Chance. Mit Verbandsgeschäftsfürher Thilo Brodtmann sprach Markus Grabitz.

Nach dem Chlorhühnchen haben die TTIP-Gegner sich auf die Schiedsgerichte eingeschossen. Warum liegt der Wirtschaft so viel daran?
Thilo Brodtmann: Es geht uns nicht in erster Linie um Schiedsgerichte, sondern um Investorenschutz. Er soll sicherstellen, dass ausländische Investoren nicht schlechter gestellt werden als inländische. Er soll vor kompensationsloser Enteignung ebenso schützen wie vor willkürlich intransparenten Regierungsentscheidungen. Zudem soll er den freien Kapitalverkehr garantieren. Im Streitfall kann dann ein Schiedsgericht angerufen werden.

Warum reicht Ihrer Branche nicht der normale Rechtsweg in Amerika?
Brodtmann: Selbstverständlich sind die USA ein Rechtsstaat. Aber TTIP soll ja nicht das letzte Freihandelsabkommen sein. So hat die Bundeskanzlerin Russland jüngst in Aussicht gestellt, über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu verhandeln. Am Beispiel Russland wird deutlich, dass Unternehmen durchaus ein berechtigtes Interesse an Schiedsgerichten haben, die im Streitfall einen Ausgleich zwischen verschiedenen Rechtsauffassungen und Rechtssystemen herstellen können. Bei TTIP sollte aus unserer Sicht durch den Verzicht auf Schiedsgerichte kein Präzedenzfall für andere Abkommen geschaffen werden.

Heißt das aus Ihrer Sicht, TTIP ist ohne die Schiedsgerichte nichts wert?
Brodtmann: Nein, das heißt es ganz und gar nicht. TTIP ist uns sehr wichtig. TTIP darf auf keinen Fall scheitern. Notfalls muss die Frage des Investorenschutzes anders als durch die herkömmlichen Schiedsgerichte geregelt werden. Wir sind bereit, offen über alle Vorschläge zu reden, die ein moderneres und transparenteres Verfahren zum Ziel haben.

Welchen Vorteil hätte das?
Brodtmann: Wir alle könnten uns wieder auf das konzentrieren, worum es bei TTIP eigentlich geht.

Und was wäre das Wesentliche an einem europäisch-amerikanischen Handelsabkommen?
Brodtmann: Ein fairer Zugang zum Markt des jeweils anderen.

Also die Abschaffung von Zöllen? Das dürfte doch nicht schwer sein.
Brodtmann: Sie haben recht, dass man sich über die Abschaffung von Zöllen sicherlich schnell einig wäre. Aber es geht um weit mehr. Für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau geht es vor allem darum, dass seine Produkte unter den gleichen Bedingungen einen technischen Zugang zum US-Markt erhalten wie die amerikanische Konkurrenz.

Was meinen Sie damit genau?
Brodmann: Der Maschinenbau besteht vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen. Und als industrieller Mittelstand leiden wir überproportional unter den administrativen Belastungen. Unsere Unternehmen haben nicht immer die Personaldecke, um mal eben mit zehn Mitarbeitern Ausfuhren in die USA zolltechnisch zu bearbeiten. Sie haben auch nicht 50 Mitarbeiter in der Abteilung Normierung und Standardisierung, um ihre Produktpläne den US-Vorschriften anzupassen, die zudem häufig noch von Staat zu Staat unterschiedlich sind. Wenn unsere Produkte überhaupt in den USA angeboten werden können, sind wir allein wegen des bürokratischen Aufwands um rund ein Fünftel teurer als die amerikanische Konkurrenz. Diese Unterschiede muss TTIP beseitigen. Das meine ich mit fairem Marktzugang.

Das setzt aber voraus, dass die technischen Standards angeglichen, im Zweifelsfall sogar gesenkt werden.
Brodtmann: Nein, es geht nicht darum, dass Standards gesenkt werden. Die Qualität unserer Produkte ist schließlich unser Marktvorteil. Es geht darum, dass man gemeinsam klare Standards definiert. Auf welche Weise ein Produkt diese Standards erfüllt, bleibt dem Hersteller überlassen.

Die Chancen, dass TTIP in absehbarer Zeit zum Abschluss kommt, stehen aber angesichts der allgemeinen Stimmungslage eher schlecht. Oder sehen Sie das anders?
Brodtmann: Ich sehe es optimistischer. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Menschen die Vorteile erkennen, die TTIP mit sich bringt. Das sind vor allem Wachstum und Beschäftigung.

Und wenn nicht?
Brodtmann: Dann haben wir die große Chance auf ein kostenloses Konjunkturprogramm vertan.

Zur Person

Thilo Brodtmann ist neuer Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Der gebürtige Bayer hat Volks- und Betriebswirtschaft in Bayreuth studiert und das Studium mit dem Diplom abgeschlossen. Thilo Brodtmann arbeitete seit dem Jahr 1991 für den VDMA in verschiedenen Funktionen. 1999 wurde er Geschäftsführer des Fachverbandes Robotik + Automation und im Jahr 2001 zudem stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbands. Der Fünfzigjährige ist Vater zweier Töchter.

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