20 Jahre T-Aktie Von einer Volksaktie ist keine Rede mehr

Bonn · Vor 20 Jahren ist die Deutsche Telekom an die Börse gegangen. Nach einem fulminanten Start stürzte die Aktie ab und liegt derzeit auf Ausgabeniveau. Wer das Papier seit 1996 besitzt, hat inklusive der Dividenden und Treueaktien eine Gesamtrendite von 155 Prozent verbucht.

Am 18. November 1996 herrschte auf dem Parkett der Frankfurter Börse großes Gedränge. Der damalige Finanzminister Theo Waigel, Postminister Wolfgang Bötsch und Telekom-Chef Ron Sommer starrten genauso gebannt auf die Kurstafel wie Deutsche Bank-Vorstandssprecher Hilmar Kopper und sein Kollege Jürgen Sarrazin von der Dresdner Bank. Es dauerte von 10.30 Uhr bis 12.26 Uhr, ehe sich ihre Mienen entspannten. Dann erst stand der erste Kurs der T-Aktie fest. Um 3,70 Mark übertraf die T-Aktie ihren Emissionspreis von 28,50 Mark (14,57 Euro) bei der ersten Börsennotiz. Der Tag endete bei 33,90 Mark.

Die Euphorie, die sich in den Monaten zuvor um die T-Aktie entwickelt hatte, war gigantisch. Mit großem Aufwand wurde auf allen Werbekanälen für die T-Aktie getrommelt. „Bisher ist Deutschland in Sachen Aktie ein Entwicklungsland“, sagte der damalige Telekom-Chef Ron Sommer.

Eine Volksaktie sollte das Papier der Telekom werden – also eine Aktie, die bei einer Privatisierung gezielt an Kleinanleger verkauft wird. Das war der Kern der Marketingstrategie, so wie 35 Jahre zuvor beim Börsengang von Volkswagen. Historisch ist der Begriff „Volksaktie“ aus der Privatisierungspolitik Ludwig Erhards entstanden. Der Staat wollte sich von einem Teil seines Industriebesitzes trennen und gleichzeitig eine Beteiligung der Bürger und Arbeitnehmer am Produktivkapital fördern.

Nach der umfangreichen Marketingkampagne griffen die Deutschen bei der Telekom zu: 1,9 Millionen Privatanleger stiegen ein, 713 Millionen Aktien wurden ausgegeben. Die Telekom wäre auch die fünffache Menge losgeworden. Aber auch so konnte sich Ron Sommer über jede Menge frisches Kapital freuen: Rund zehn Milliarden Euro spülte der Börsengang in die Kassen. 26 Prozent des Grundkapitals der Telekom veräußerte der Bund im ersten Schritt. Die Mittel wollte das Unternehmen zum Abbau von Schulden einsetzen. Der Börsengang der Telekom war der bislang zweitgrößte weltweit.

Der Macher hinter der T-Aktie war Ron Sommer. Er sollte aus der ehemaligen Behörde mit Beamten und den angestaubten Strukturen ein profitables Privatunternehmen machen. Das Gesicht der Werbekampagne war 1996 der Schauspieler Manfred Krug. „Die Telekom geht an die Börse, und ich gehe mit“, sagte er in zahlreichen Fernsehspots. „Sie könnten mir ja auch mal was nachmachen.“

Elf Jahre später klang das zum Entsetzen des Unternehmens ganz anders: „Ich entschuldige mich aus tiefstem Herzen bei allen Mitmenschen, die eine von mir empfohlene Aktie gekauft haben und enttäuscht worden sind“, sagte er in einem Interview. Krug bezeichnete seine Werbespots für die T-Aktie als seinen größten beruflichen Fehler. Seine Telekom-Aktien besaß er zu diesem Zeitpunkt immer noch: „Ich betrachte es als eine Art Selbstbestrafung. Es sind bis heute die einzigen Aktien, die ich selbst gekauft habe.“

Was war in der Zwischenzeit passiert? Im Juni 1999 wurden 281 Millionen Aktien zum Preis von 39,50 Euro ausgegeben und 10,8 Milliarden Euro eingenommen. Ein Jahr später dann verkaufte der Bund über die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 200 Millionen T-Aktien zum Preis von 66,50 Euro. Es flossen rund 13 Milliarden Euro in die Staatskasse. Die Börseneuphorie war auf ihrem Höhepunkt angelangt. Die Telekom-Aktie notierte über 100 Euro auf ihrem Allzeithoch.

Doch dann ging es steil bergab. Sommers Firmenzukäufe vor allem in den USA setzten der Aktie stark zu. Die Schulden stiegen. Die Internet-Blase platzte. Fehlerhafte Unternehmensstrategien, ein überteuerter Kauf der UMTS-Lizenzen, ein enormer Schuldenstand und ein zu hoher Preis für den Erwerb des US-Mobilfunkanbieters VoiceStream, so lauteten die häufigsten Vorwürfe an den Telekom-Chef. Nicht einmal drei Jahre nach dem ersten Börsengang folgte der zweite.

Im Vorfeld der zweiten Tranche im Mai 1999 erlitt die Telekom den ersten Rückschlag bei ihren Internationalisierungsplänen. Die angekündigte Fusion mit der Telecom Italia zum zweitgrößten Telekom-Unternehmen der Welt scheiterte. Im Februar 2002 korrigierte der Konzern den Wert seines Immobilienvermögens um zwei Milliarden Euro nach unten, was zu Protesten und Aktionärsklagen führte. Das Entsetzen war groß. Am 16. Juli 2002 trat Ron Sommer zurück.

Seitdem hat sich bei der Telekom viel getan. Spar- und Effizienzsteigerungsprogramme mehrerer Vorstandchefs haben die Marktlage des Unternehmens verbessert. Die US-Tochter macht ausgezeichnete Geschäfte. Doch der der Anteil der privaten Anleger ist auf 14 Prozent gesunken. Von der Volksaktie ist keine Rede mehr. Der Bund, inklusive des KfW-Anteils, hält noch 32 Prozent. Über die Aktionärsklagen ist nicht entschieden. Die T-Aktie hat sich stabilisiert – allerdings auf dem Niveau des Ausgabekurses. So schlecht stünden ihre Aktionäre heute gar nicht da, rechnet Vorstandschef Timotheus Höttges vor. Wenn die Frühzeichner von 1996 nicht nur Kurse, sondern auch den für Privatanleger reduzierten Ausgabepreis (14,32 Euro), gezahlte Dividenden und Treueaktien einbezögen, stehe über 20 Jahre unter dem Strich eine Gesamtrendite von 155 Prozent. „Mehr geht immer“, meint er aber auch. Der Deutsche-Aktien-Index Dax legt in der gleichen Zeit um 270 Prozent zu.

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