Arbeitsagenturen Vorrang für leicht vermittelbare Kunden

BONN · Wer leicht zu vermitteln ist, hat Vorrang. Wer älter ist oder schon länger auf Jobsuche, bekommt deutlich weniger Unterstützung: Ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofes mit diesem Tenor sorgt in den Arbeitsagenturen landauf, landab für große Unruhe.

 Vermittlungsgespräch: Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass Kunden mit schlechteren Chancen zu kurz kommen.

Vermittlungsgespräch: Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass Kunden mit schlechteren Chancen zu kurz kommen.

Foto: DPA

Und die Kunden fragen sich, ob sie durch das Raster der Vermittler fallen. Die Prüfer kritisieren, dass es durch die Zielvorgaben, die den Arbeitsvermittlern gemacht werden, zu Fehlanreizen in der Jobvermittlung kommt.

Ein Kritikpunkt dabei ist das sogenannte Creaming: Einfach zu vermittelnde Kunden werden bevorzugt behandelt, sie sind sozusagen allererste Sahne. "Der Bundesrechnungshof hält es für nicht sachgerecht, dass die Bundesagentur ihre Ressourcen überwiegend für die guten Risiken einsetzte", heißt es im Bericht der Bonner Behörde, der dem General-Anzeiger vorliegt. Die starke Konzentration auf marktnahe Kunden werde durch die Agenturen damit begründet, dass bei diesen Kunden eine Integration mit geringem Aufwand möglich sei. Das Zielsystem der Bundesagentur werte bislang noch jede Integration in den Arbeitsmarkt gleich.

Der Bundesrechnungshof hat in einer Stichprobe sieben der 156 Arbeitsagenturen und sieben Regionaldirektionen untersucht. Das Erreichen von vereinbarten Zielen ist durchaus von Bedeutung: Über eine leistungsabhängige Komponente wirkt es sich auf das Einkommen der Führungskräfte aus. Das ist eine Wirkung des Umbaus der schwerfällig agierenden Arbeitsämter zu modern geführten Agenturen, für die ihr Chef Frank-Jürgen Weise in den vergangenen Jahren gelobt wurde.

Marita Schmickler-Herriger, Leiterin der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg, hält es grundsätzlich für sinnvoll, Zielvorgaben für die Arbeitsvermittler über Punktesysteme zu machen. "Steuerung ist notwendig in einer so großen Organisation wie der Bundesagentur für Arbeit", sagt Schmickler-Herriger. Der Bundesrechnungshof bestätige im Kern auch die Richtigkeit des Zielsystems der Bundesagentur.

"Die Festlegung der Ziele erfolgt in einem sehr differenzierten System", so Schmickler-Herriger. Es gehe um die Zahl erfolgreich besetzter Stellen, Einmündung in Ausbildung oder Integrationen in Beschäftigung. Als "lernende Organisation" überprüfe die Bundesagentur stets ihr Zielsystem. So gebe es ab kommenden Jahr bundesweit auch qualitative Aspekte. Wenn Vermittlern die Integration von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss in Ausbildung oder Arbeit gelingt, bekommen sie Bonuspunkte. Gleiches gilt für Arbeitslose, die sechs Monate oder länger ohne Job waren. Besonders berücksichtigt wird auch, wenn Kunden in ein kleines Unternehmen wie einen Handwerksbetrieb vermittelt werden oder die Kunden länger als sechs Monate im vermittelten Job bleiben.

Seit dem vergangenen Jahr gebe es bereits die "Interne ganzheitliche Integrationsberatung" (INGA), bei der sich ein Vermittler auf weniger Kunden konzentrieren kann. "Gerade Arbeitslose, die Mühe haben, eine neue Stelle zu finden, betreuen und unterstützen wir damit gezielter und besser", sagt Schmickler-Herriger.

In der Arbeitsagentur Bonn kümmere sich ein Viertel der Vermittler ausschließlich um Menschen, die auf dem Weg in Beschäftigung erhebliche Unterstützung benötigten. Auch die Berufsberater kümmerten sich sehr engagiert um schwächere Jugendliche aus Haupt- und Förderschulen.

Ein weiterer Vorwurf, den die Prüfer des Bundesrechnungshofes der Bundesagentur machen, betrifft die Zeitarbeit. Zeitarbeiter hätten ein geringeres Einkommen und eine höhere Entlassungswahrscheinlichkeit. Die Bundesagentur berücksichtige das bei ihrer internen Zielsteuerung nicht: "Vermittlungen in die Zeitarbeit haben dort den gleichen Stellenwert wie Vermittlungen zu Arbeitgebern außerhalb der Zeitarbeit."

Derzeit zählt generell als Integration, wenn ein Kunde ein Beschäftigungsverhältnis von sieben Tagen und mehr beginnt, erläutert Schmickler-Herriger. Derzeit betrage der Anteil der Zeitarbeitsbranche an den erfolgreich besetzten Stellen in Bonn circa ein Viertel. Für die Zeitarbeit werde auf Grundlage statistischer Erhebungen davon ausgegangen, dass die durchschnittliche geschätzte Dauer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse 9,4 Monate beträgt. "Zeitarbeit kann dennoch für Arbeitslose und insbesondere Langzeitarbeitslose eine Chance sein", so die Chefin der Bonner Arbeitsagentur.

Roswitha Stock, Leiterin der Arbeitsagentur Köln, kann Teile der Kritik des Bundesrechnungshofes nachvollziehen: "Zielsysteme haben immer Fehlanreize." Die Arbeitsagenturen seien bei der Vermittlung natürlich auch den Interessen der Arbeitgeber verpflichtet: "Die Arbeitgeber haben den berechtigten Anspruch, den Besten für eine Stelle zu bekommen." Dementsprechend müssten die Vermittler ihre Prioritäten setzen.

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