"Walzen ist wie Spaghetti machen"

Mannstaedt-Werke in Troisdorf liefern Spezialprofile in alle Welt - Nach eigenen Angaben Weltmarktführer - Kaum ein anders Unternehmen hat die Stadt an der Sieg so stark geprägt - Standort seit 1825

Troisdorf. Getöntes Sicherheitsglas schützt die Maschinenarbeiter im Leitstand der Walzstraße vor Funkenflug, Dampf und der enormen Hitze. Im Minutentakt spuckt der Hochofen rot glühende Metallstäbe aus. 1 230 Grad zeigt die Temperaturanzeige für das Ofeninnere. Einen aber lässt das heiße Spektakel völlig kalt. Für den Geschäftsführer der Mannstaedt-Werke in Troisdorf, Heinz Deiterding, gehört glühendes Metall zum Alltag: "Walzen", sagt er, "das ist wie Spaghetti machen. Vorne stecken sie was rein und hinten kommen geformte Stäbe raus."

Mit Stäben, im Fachjargon Spezialprofile genannt, haben es die Mannstaedt-Werke nach eigenen Angaben zum Weltmarktführer gebracht. Im Troisdorfer Werk werden die zugelieferten Stahlstangen erhitzt und mit knapp 500 verschiedenen Walzen geformt und anschließend geschnitten.

Alle Produkte sind Maßanfertigungen, kein Spezialprofil gleicht dem anderen, jede Kundenbestellung ist individuell so wie die späteren Verwendungsmöglichkeiten. Die Teile aus Troisdorf kommen weltweit zum Einsatz, als Türscharniere in Autos und Lastwagen ebenso wie als Hubmasten in Gabelstaplern, Felgen in Spezialfahrzeugen, Trennfugenprofile in Brücken oder als Ankerschienen in Hochhäusern.

Mehr als 147 000 Tonnen Stahl wurden 2001 in Troisdorf verarbeitet, fast dieselbe Menge wie ein Jahr zuvor. Der Umsatz (55 Prozent werden im Ausland erzielt) lag im Jahr 2001 mit 129,3 Millionen Euro rund zwei Millionen Euro über dem Wert des Jahres 2000. Auch wenn die schwache Konjunktur in der Bilanz des Unternehmens Spuren hinterlassen hat, rechnen Geschäftsführer Deiterding und der Vorsitzende der Geschäftsführung Helge Horn für das abgelaufenen Geschäftsjahr mit einem "Ergebnis auf dem Niveau des Vorjahres".

Im Jahr 2000 wurden drei Millionen Euro ausgewiesen. Horn: "Wahrscheinlich werden wir leicht darunter liegen, aber deutlich im positiven Bereich." Einzelheiten will die Geschäftsführung Ende April nach der Sitzung des Aufsichtsrates bekannt geben.

Die Mannstaedt-Werke sind mit seit Jahren knapp 900 Beschäftigten nicht nur einer der größten Arbeitgeber in der Region, sie haben auch den Produktionsstandort Troisdorf geprägt wie kaum ein anderes Unternehmen. "Hütte" nennen die Einheimischen liebevoll den Stadtteil an der Sieg, der seinen Namen zurecht trägt und offiziell "Friedrich-Wilhelms-Hütte" heißt.

Die bewegte Geschichte von Standort und Unternehmen beginnt im Jahr 1825, als Johann Wilhelm Windgassen, ein Mitarbeiter des Königlichen Bergbauamtes zu Bonn die Genehmigungsurkunde zum Bau einer Eisenhütte erhält. Das zur Produktion nötige Wasser entstammt heute wie einst dem Mühlengraben. Holz und Erz lieferten damals Gruben in Dambroich, Geistingen, Uckerath, Griesenbach und Kircheip. 1870 übernimmt die Dortmunder Hoesch AG die Hütte.

Der wirtschaftliche Durchbruch kommt mit Louis Mannstaedt. Er und seine Söhne Karl und Ludwig ziehen mit ihrem Walzenbetrieb von Köln-Kalk auf die Hütte. 1923 fusionieren die Mannstaedt-Werke mit dem Klöckner-Konzern. 1961 erreicht das Unternehmen mit fast 4 500 Mitarbeitern seine höchste Beschäftigtenzahl. 1990 geht das Werk an British Steel.

Heute sind die Mannstaedt-Werke (500 000 Quadratmeter Fläche) ein Tochterunternehmen des britisch-niederländischen Corus-Konzerns, der 1999 aus dem Zusammenschluss von British Steel und Hoogovens entsteht und weltweit rund 60(nbsp;000 Beschäftigte hat.

Auch wenn die Glanzzeiten des Troisdorfer Unternehmens einige Jahre zurückliegen - die beiden Geschäftsführer Heinz Deiterding und Helge Horn sehen das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz wie ThyssenKrupp gut aufgestellt. Horn: "Wir wollen unsere Position als Weltmarktführer noch weiter ausbauen, und zwar vor allem dadurch, dass wir unsere Produkte stärker als bisher selbst weiterverarbeiten."

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