Probleme mit Mietvertrag Waschmittelhersteller Thurn in Neunkirchen-Seelscheid droht das Aus

Neunkirchen-Seelscheid · Dem insolventen Wasch- und Spülmittelhersteller Thurn Germany mit Hauptsitz in Neunkirchen-Seelscheid droht das Aus. Die Gemeinden Neunkirchen-Seelscheid und Much lehnen einen langfristigen Mietvertrag für den neuen Investor ab.

 Die Produktion wie die von Spülmaschinentabs läuft bei Thurn oft wieder im Drei-Schicht-Betrieb.

Die Produktion wie die von Spülmaschinentabs läuft bei Thurn oft wieder im Drei-Schicht-Betrieb.

Foto: Meike Böschemeyer/MEIKE BOESCHEMEYER

Beschäftigte konnten die Tränen am Dienstag nicht unterdrücken. Dem insolventen Wasch- und Spülmittelhersteller Thurn Germany mit Hauptsitz in Neunkirchen-Seelscheid droht das Aus. Derzeit gibt es 150 Arbeitsplätze im Rhein-Sieg-Kreis und weitere 25 im niederländischen Kerkrade. Dabei hat Insolvenzverwalter Jens Schmidt einen internationalen Investor gefunden, der das Unternehmen als Ganzes weiterführen möchte.

Allerdings droht die unterschriftsreife Vereinbarung in letzter Minute zu platzen. „Wir stehen vor dem Scheitern“, sagte Schmidt. Denn die Gemeinden Neunkirchen-Seelscheid und Much seien nicht bereit, einen langfristigen Mietervertrag mit dem Investor zu unterzeichnen. Streitpunkt ist die Laufzeit des Vertrages. Der namentlich noch nicht genannte ausländische Investor möchte einen Mietvertrag über 15 Jahren abschließen, um Planungssicherheit für Investitionen zu haben. Doch die Gemeinden hätten das abgelehnt.

„Diese Situation ist für mich neu. Üblicherweise muss ich internationale Investoren überzeugen, deutsche Standorte zu halten und nicht das Personal zu reduzieren“, sagte Schmidt. Jetzt habe er einen Verhandlungserfolg im Ausland und das Scheitern in der Heimat.

Das traditionsreiche Unternehmen Thurn befindet sich seit Ende Juni im zweiten Insolvenzverfahren. Offenbar haben die Deutschen in der Pandemie weniger Wäsche gewaschen als sonst. Jedenfalls habe Thurn im zweiten Lockdown, der im vergangenen November begann, einen großen Umsatzeinbruch erlitten, erläuterte Geschäftsführer und Gesellschafter Peter Schoof. Sportstätten seien geschlossen worden, alle hätten weniger Wäsche verbraucht. Im zweiten Quartal habe Thurn zusätzlich noch mit den steigenden Rohstoffpreisen gekämpft. Auch die Verpackungen für die Wasch- und Spülmittel seien teurer geworden und teils nur schwer zu bekommen. Dabei sei das Unternehmen gerade dabei gewesen, sich von der ersten Insolvenz zu erholen.

Beliefert Discounter und Drogeriemärkte

Die traditionsreiche Firma aus Neunkirchen-Seelscheid beliefert große Discounterketten und Drogeriemärkte mit Geschirrspül- und Waschmitteln. Der Name ist eher in Fachkreisen bekannt. Dabei benutzen Millionen Deutsche regelmäßig die Wasch- und Spülmittel aus Neunkirchen-Seelscheid. Sie waschen ihre Wäsche mit Tandil von Aldi oder nehmen Geschirrspültabs namens Alio.

Das Firmengelände von Thurn ist vergangene Woche an das gemeinsame kommunale Unternehmen der Gemeinden Neunkirchen-Seelscheid und Much (GKU) verkauft worden. Eine wesentliche Aufgabe der 2011 gegründeten Gesellschaft ist die Entwicklung von Gewerbeflächen. Sie soll auch die Grundstücke rund um das Thurn- Werk vermarkten. Zuvor gehörte das Firmengrundstück zur Masse der ersten Insolvenz der Firma, die 2017 angemeldet wurde. Die Liegenschaft setzt sich zusammen aus dem 62.000 Quadratmetern bebautem Grundstück sowie einer Grünfläche von 75.000 Quadratmetern, für die Baurecht als Gewerbegebiet besteht. GKU-Geschäftsführer Johannes Hagen verwies am Dienstag auf die noch laufenden Gespräche mit den beteiligten Unternehmen und deren Insolvenzverwaltern, ob und wie der derzeitige Betrieb in einer Übergangszeit fortgesetzt werden kann. Er signalisierte aber: „Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden.“ GKU will auf dem Gelände langfristig dringend benötigte Gewerbeflächen schaffen.

Wie Insolvenzverwalter Schmidt erläuterte, sei der neue Investor bereit, auf die unbebauten Flächen zu verzichten. Dort könnten zügig neue Firmen angesiedelt werden.

Keine Lösung für Genthien

Thurn gab im Sommer an den drei Standorten Neunkirchen-Seelscheid, dem sachsen-anhaltischen Genthien und dem niederländischen Kerkrade in der Summe über 200 Menschen Arbeit. In guten Zeiten gab es 480 Arbeitsplätze. Für den Standort Genthien gibt es noch keine Lösung, hier verhandelt der Insolvenzverwalter mit anderen Investoren. Dort ist die Flüssigwaschmittelabfüllung von Thurn konzentriert.

Viele langjährige Beschäftigte

Thurn-Mitarbeiterin Yvonne Hanini verwies am Dienstag darauf, dass viele Mitarbeiter schon lange bei Thurn arbeiten würden. Sie hätten Häuser in der Gemeinde gekauft, die noch abbezahlt werden müssten.

Unternehmer Georg Schulte betreibt auf dem Thurn-Gelände eine Catering-Firma. 2000 Essen würden seine 35 Beschäftigten täglich an Schulen und Kindergärten ausliefern. Auch seiner Firma drohe das Aus, wenn der neue Mietvertrag nicht zustande komme.

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