Neuer Chef bei Handels-Imperium Wechsel an der Rewe-Spitze

Köln · Am 1. Juli löst der Franzose Lionel Souque seinen Landsmann Alain Caparros an der Rewe-Spitze ab. Er übernimmt ein florierendes Handels-Imperium.

Wunschkandidat des scheidenden Rewe-Chefs Alain Caparros (r.): Sein Nachfolger Lionel Souque. FOTO: DPA

Wunschkandidat des scheidenden Rewe-Chefs Alain Caparros (r.): Sein Nachfolger Lionel Souque. FOTO: DPA

Foto: picture alliance / Annika Fußwin

Lionel Souque (45) rückt am Samstag früher als zunächst geplant an die Spitze des Handels- und Touristikkonzerns Rewe. Damit verbinden sich zahlreiche Frage.

Warum erfolgt die Übergabe jetzt?

„Der Job ist gemacht“, verkündete Rewe-Chef Alain Caparros (60) Ende März. Schneller als geplant. Deshalb werde er sich schon Ende Juni als Chef der Genossenschaft verabschieden. Er präsentierte noch ein Rekordergebnis und verwies darauf, dass der Discounter Penny saniert und auf Kurs sei. Caparros hatte auch Edeka im Streit um die Übernahme von Kaiser's Tengelmann die Stirn geboten und letztlich 60 Märkte vor allem in Berlin übernommen. Außerdem hatte er das Feld bestellt. Im Dezember 2016 war sein Wunschkandidat Lionel Souque bereits zum Nachfolger bestellt worden. Geplanter Amtsantritt: 1. Januar 2019. Souque muss also früher ran.

Welchen Hintergrund hat der Neue?

Lionel Souque ist wie Caparros Franzose, und wie Caparros schätzt er Krawatten nicht sonderlich. Souque wurde am 19. August 1971 in Paris geboren. In Reutlingen studierte er Betriebswirtschaft. Außerdem hat er einen MBA-Abschluss der ESSEC Business School Paris und einen Master Technology & Mana᠆gement der École Centrale Paris. In Reutlingen lernte er seine spätere Frau Laure, eine Französin, kennen. 2000 heirateten beide. Laure arbeitete bei J.P. Morgan unter anderem in London und Mailand. In den ersten Jahren der Beziehung hätten sie praktisch nie im selben Land gelebt, so Souque.

Wie kam Souque zur Rewe?

1996 hatte die Rewe ihn als Trainee angeheuert. Er sollte Rewe bei der damals geplanten Auslandsexpansion helfen. Lehrjahre im Handel sind wohl alles andere als Herrenjahre. Nach wenigen Monaten in der Kölner Zentrale musste er eine Penny-Filiale in einem Problemviertel im Münchner Norden managen. Er saß auch an der Kasse, nahm Waren an und räumte den Keller auf. Und anders als viele andere Trainees biss er sich durch.

Wie ist er auf seinen Job an der Rewe-Spitze vorbereitet?

Nach einem Rat für seinen Nachfolger gefragt, verkniff sich Caparros eine Antwort. „Lionel Souque weiß genau, was er zu machen hat oder zu lassen hat“, sagte er bei der Bilanzvorlage Ende März. In der Tat kennt Souque den Konzern wie wohl kein anderer. Nachdem er Führungspositionen in Einkauf und Vertrieb bei Penny bekleidet hatte, machte er weiter Karriere im Ausland. Er wechselte 2001 zu den Billa Supermärkten. Auf Auslandsjobs hatten nicht viele Rewe-Manager Lust, Souque dagegen hat in allen Ländern, in denen Rewe vertreten ist, gearbeitet und die Stationen im Ausland als Sprungbrett genutzt. 2007 wurde er in den Vorstand der Rewe International in Wien berufen. Zwei Jahre später wurde er CEO von Rewe Deutschland und Mitglied des Konzernvorstands. Souque erscheint freundlicher als Caparros, vielleicht einfach, weil er besser Deutsch spricht. Er wisse freilich, was er wolle und ziehe das durch, heißt es. Er gilt als detailbesessen, steigt auch mitunter in die Tiefen des Tagesgeschäfts hinab.

Wie steht er zu Köln?

Caparros lebt in Düsseldorf, Souque dagegen schätzt Köln sehr. Hier lebt er mit seiner Frau und drei Kindern. Außerdem gibt es noch drei Meerschweinchen im Haus und einen Parson Russel Terrier. Souque ist regelmäßiger Gast beim 1. FC Köln, der mit dem Rewe-Logo auf dem Trikot aufläuft. Seit 2013 ist Souque im Aufsichtsrat des Vereins, seit 2016 Vorsitzender des Gremiums. Caparros hatte ihm da gerne den Vortritt gelassen. Das sollte jemand machen, der etwas von Fußball versteht. Souques Frau hat bei der Bank aufgehört. Sie betreibt in Köln mit einer Freundin das Modelabel Malio Design, das in Italien fertigen lässt.

Wie steht Rewe da?

Die Rewe-Gruppe mit den 4000 selbstständigen Kaufleuten hat 2016 den Umsatz auf den neuen Rekordwert von 54,14 Milliarden Euro gesteigert. 38,96 Milliarden davon wurden in Deutschland erzielt. Die Verschuldung ging um 66 Prozent auf 135 Millionen zurück. Rewe ist in 19 europäischen Ländern aktiv und beschäftigt in 14 728 Märkten 325 727 Mitarbeiter. In 10 871 deutschen Märkten sind 232 027 Frauen und Männer beschäftigt.

Auf welchen Standbeinen steht Rewe?

Rewe betreibt Supermärkte unter den Marken Rewe, Rewe-to-go, Nahkauf, Temma sowie Getränkemärkte unter der Marke toom. Die Supermärkte im Ausland heißen Billa, Merkur, Adeg oder Bipa. Sie sorgen für 24,8 Milliarden Euro des Konzernumsatzes. Discounter unter den Marken Penny oder XXL steuern 11,6 Milliarden zum Konzernumsatz bei. Auf Fachmärkte wie toom-Baumarkt, dessen Chef Detlef Riesche in genau einem Jahr in den Ruhestand geht und von Rene Haßfeld abgelöst wird, B1 oder Gartenliebe entfällt ein Umsatz von zwei Milliarden, und die rund um die Dachmarke DER gruppierte Touristiksparte sorgt für einen Umsatz von 6,3 Milliarden. Zu ihr gehören Veranstalter wie Jahn-Reisen, ITS, Meier´s Weltreisen, ADAC-Reisen oder Kuoni.

Wie ist Rewes Marktposition?

Die Baumarktsparte hat noch einige Luft nach oben. In der Touristik ist Rewe dagegen schon in Europas Spitzengruppe. Zukäufe sind hier allerdings noch möglich und vom Konzern ins Auge gefasst. Im Lebensmittelhandel ist Rewe schon so groß, dass das Unternehmen wohl nur noch organisch wachsen kann. Rewe hätte ähnliche Kartellprobleme wie Edeka, wollte der Konzern in Deutschland noch groß auf Einkaufstour gehen. Auf Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland sowie Aldi Nord und Süd entfielen laut Kartellamt schon vor der Übernahme von Kaiser's Tengelmann deutlich mehr als drei Viertel der Umsätze, die im Lebensmittelhandel mit Endkunden erzielt werden. Experten schätzten den Anteil noch höher ein. Bei einem geschätzten Gesamtmarkt von knapp 200 Milliarden Euro kam Marktführer Edeka 2016 auf einen Anteil von rund 25 Prozent. Rewe und die Schwarz-Gruppe haben sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert mit einem Anteil von etwa 15 Prozent. Das erklärt vielleicht den erbitterten Widerstand von Caparros gegen die ursprünglich geplante Komplettübernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka. Rewe holt aber auf. Im Bereich Handel Deutschland hat Rewe nach eigenen Angaben zum Jahresbeginn ein Umsatzplus von 3,3 Prozent erzielt, der Markt legte nur um 1,5 Prozent zu.

Welche Herausforderungen in der Zukunft sind zu meistern?

Discount bedeutet längst mehr als Handelsmarken, die auf Paletten dargeboten werden. Aldi, Lidl und auch die Rewe-Tochter Penny oder Edeka mit Netto haben nicht nur kräftig ins Image investiert. Sie punkten längst auch mit Markenartikeln, mit teils edlen Weinen, Obst- und Gemüsetheken mit Bioware und zubereiteten Waren für die Unterwegsversorgung. Das setzt die Supermärkte unter Druck. Andererseits droht Gefahr aus dem Netz. Amazon Fresh ist ein mächtiger Herausforderer. Da müssen Rewe, Edeka und Co. gegenhalten. Das Onlinegeschäft muss angekurbelt werden, auch wenn es noch Verluste beschert. „Rewe verdient kein Geld mit Online“, hieß es bei der Bilanzvorlage. Andere allerdings auch nicht. Immerhin stiegen die Umsätze, die 2016 etwa 100 Millionen Euro betragen hatten, schneller als die Verluste. Rewe muss den Onlinezug mitnehmen, ist der Konzern überzeugt. Für Amazon sei der Lebensmittelhandel kein Kerngeschäft. Der Konzern betreibe ein erfolgreiches Non-Food-Geschäft, handele nebenbei mit Lebensmitteln und sammele dabei Kundendaten. Für Rewe sei der Lebensmittelhandel aber Kerngeschäft, so Caparros. Man müsse da stationär und online erfolgreich sein.

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