Zwangsabfindung oder Rückzug von der Börse Wenn Kleinaktionäre ausgeschlossen werden

KÖLN · Zwangsabfindung von Minderheitsaktionären (Squeeze out) und der Abschied von der Börse (Delisting) sind Instrumente von Aktiengesellschaften und ihrer Hauptaktionäre, sich der Kleinen zu entledigen oder sie zumindest zu vergraulen.

Die Aktienkultur wird so nicht gefördert. Allerdings gibt es vereinzelt Kleinaktionäre, die es professionell darauf anlegen, Hauptversammlungsbeschlüsse durch Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen zu blockieren.

Motive von Squeeze out können strukturelle Pläne sein, die ohne Minderheitsaktionäre ungestört und rasch umzusetzen sind. Ein Beispiel ist der Versicherungskonzern Generali. Der Ausschluss der Kleinaktionäre wurde damit begründet, dass man mehr Handlungsfreiheit brauche. Wozu, das ist mittlerweile klar: Die Generali Deutschland Holding verlegt ihren Sitz von Köln nach München, und sie wird dort mit Generali Leben und Generali Versicherung verschmolzen.

Zwangsabfindung, die voraussetzt, dass der Hauptaktionär mindestens 95 Prozent des Kapitals hält, bedeutet normalerweise, dass die Gesellschaft von der Börse verschwindet. Nicht so im speziellen Fall der Postbank. Der Hauptaktionär Deutsche Bank mit 96,8 Prozent des Kapitals will die Kleinaktionäre mit 35,05 Euro je Aktie abfinden. Die Aktie geht danach von der Börse, sie soll aber 2016 zurückkehren. Dann will die Deutsche Bank nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen die Postbank erneut an der Börse platzieren und ihren Anteil dabei auf unter 50 Prozent reduzieren.

Warum so umständlich? Man will, so ein Sprecher der Deutschen Bank, verhindern, dass es künftig zwei Kategorien von Aktionären gibt: die Postbank-Minderheitsaktionäre, die jetzt von einer Garantiedividende entsprechend dem Beherrschungsvertrag mit der Deutschen Bank profitieren, und andere Aktionäre, die neu bei der Postbank einsteigen. Mit dem Squeeze out werden Beherrschungsvertrag und Garantiedividende hinfällig.

Kleinaktionäre können kaum etwas dagegen tun, dass sie aussortiert werden - es sei denn , es ließen sich Verfahrensfehler nachweisen. Die Höhe der Abfindung ist laut Gesetz kein Grund für Anfechtungsklagen. Nur in einem gerichtlichen Spruchverfahren kann sie hinterher überprüft werden, was regelmäßig geschieht.

Gibt eine Gesellschaft lediglich die Börsennotierung auf (Delisting), ist ein Übernahmeangebot an die Kleinaktionäre nach der neuen Rechtsprechung überhaupt nicht mehr erforderlich. Der Bundesgerichtshof änderte seinen Kurs und erleichterte das Delisting 2013, nachdem das Bundesverfassungsgericht verkündet hatte, die Börsennotierung sei kein geschütztes Eigentumsrecht des Aktionärs.

Aktionärsschützer meinen, Delisting mindere den Wert von Aktien, da sie nicht mehr regulär handelbar seien. Kleinaktionäre müssten daher wieder zu einem angemessenen Preis abgefunden werden. Das Problem wird im Bundesjustizministerium geprüft. Experten erwarten, dass eine Abfindung nach dem durchschnittlichen Börsenkurs der letzten drei Monate vor Ankündigung des Delistings gesetzlich vorgeschrieben wird. Für Kleinaktionäre des Baukonzerns Strabag in Köln käme eine Neureglung vermutlich zu spät. Strabag ist in Düsseldorf schon raus, im September soll die Zulassung an der Börse in Frankfurt widerrufen werden. Eine Abfindung ist nicht vorgesehen.

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