Verbraucherzentrale und SKM-Berater Wie Sie aus der Schuldenfalle herauskommen

RHEIN-SIEG-KREIS · Smartphone, Tablet-PC und Flachbildfernseher machen sich gut unter dem Weihnachtsbaum. Zur Weihnachtszeit sind viele Menschen in Kauflaune, das Geld sitzt locker. Und wer kein Geld hat, der zahlt eben später: Kaufen mit Zahlpause und kleinen Raten über zwölf, 24 oder sogar 33 Monate und zu 0,0 Prozent Zinsen, das lässt große Träume wahr werden.

Und genau so schnell auch zerplatzen: Wer den Überblick verliert und Schulden nicht mehr in absehbarer Zeit abtragen kann, ist überschuldet. Im Rhein-Sieg-Kreis waren zum Oktober 2013 insgesamt 39.300 Menschen, rund 8,96 Prozent der geschäftsfähigen Einwohner, überschuldet.

Die Statistik wird von der Creditreform Bonn Domschke & Rossen KG geführt. Sie ermittelt jährlich eine Quote der überschuldeten Bundesbürger. In Deutschland sind das 6,58 Millionen Menschen, also rund 9,81 Prozent der Bevölkerung im geschäftsfähigen Alter ab 18 Jahren. Zwar sank die absolute Zahl der Überschuldeten leicht, die prozentuale Quote stieg dennoch: Der Zensus korrigierte die angenommenen Bevölkerungszahlen nach unten.

Im Rhein-Sieg-Kreis ist die Verteilung ganz durchmischt: In Sankt Augustin lag die Quote bei 8,9 Prozent, im Westen Troisdorfs (Postleitzahl 53844) bei 8,5 Prozent, im Zentrum Troisdorfs jedoch bei 13,0 Prozent. In Siegburg waren 11,5 Prozent und in Hennef 9,5 Prozent der geschäftsfähigen Bürger überschuldet. Den höchsten Wert weist Windeck auf (13,8 Prozent), am anderen Ende der Skala liegen Alfter (6,8 Prozent) und Wachtberg (6,0 Prozent).

In der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen stiegen die Fallzahlen in den vergangenen zehn Jahren um rund zehn Prozent, bei Männern und Frauen unter 20 Jahren sogar um 340 und 252 Prozent. "Wir haben immer wieder mit jungen Erwachsenen zu tun, die Finanzierungen und andere Verträge abgeschlossen und sich in ihren Finanzen verschätzt haben", bestätigt Martin Wieler, Leiter der Verbraucherzentrale NRW in Siegburg.

Wer einmal einen Vertrag abgeschlossen hat, muss diesen auch einhalten. "Wir versuchen zwar, Lösungen zu finden. Aber man muss auch ganz klar sagen: Wir schaffen es in der Regel nicht, Leute aus ihren Verträgen rauszuholen", so Wieler. "Und die Kreditgeber haben viele Wege, an ihr Geld zu kommen. Das geht von Mahnungen über Inkassobüros und Rechtsanwälte bis zu gerichtlichen Mahnverfahren." Die hohen Kosten dafür trage dann der Schuldner zusätzlich.

Dabei seien es oft Verpflichtungen mit vergleichsweise kleinen Einzelbeträgen, besonders aber für teure Unterhaltungselektronik und Mobiltelefone, die sich summierten, sagt der Experte. "Letztlich fehlt vielen Privatleuten einfach die Übersicht. Gerade bei den regelmäßigen Ausgaben wird oft nur über den Daumen gepeilt. Ein Haushaltsbuch gibt da einen guten Überblick - als Buch, App oder am PC."

Klarheit, wieviel Geld man für welche Posten regelmäßig benötigt, sollte man sich unbedingt verschaffen, bevor man Verträge abschließt, rät Martin Wieler. Ist das Problem erst einmal da, hilft ein Verdrängen von Mahnungen und Rechtsanwaltbriefen auf keinen Fall, sagt Ralf Braun, Fachbereichsleiter der Schuldnerberatung des Sozialvereins SKM Rhein-Sieg.

Die kostenlose Schuldnerberatung bietet Möglichkeiten der Entschuldung an. Das reicht von Ratenzahlungsvereinbarungen über Vergleiche und Stundungen bis zum Insolvenzverfahren. "Dabei muss der Lebensunterhalt immer sichergestellt werden", betont Braun. "Nur wenn das gegeben ist und etwas übrig bleibt, müssen Raten zurückgezahlt werden, auch wenn Inkassobüros zuweilen viel Druck machen."

Die Opfer des Kaufrauschs und der Finanzierungsangebote kennt der Schuldnerberater zur Genüge: "Man muss sich nur einmal die Werbung anschauen. Kaufe jetzt, zahle irgendwann." Einig sind sich der Bonner Creditreform-Geschäftsführer Jörg Rossen, Martin Wieler und Ralf Braun in einem Punkt: Aufklärung im Umgang mit Geld tut gerade bei jungen Menschen Not. "Das lernen Jugendliche heute nicht mehr, weder zu Hause noch in der Schule", sagt Braun. Rossen: "Sie müssen verstehen, was sie da im Geschäft unterschreiben."

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