Streik der Lokführer Wie Verkehrsunternehmen und Bahnreisende reagieren

BONN · Kommt der Zug oder fällt er aus? Auf diese Frage finden Bahnreisende in der Region heute zumindest Hinweise. Die Bahn hat am Mittwoch für einige Strecken zumindest Ersatzfahrpläne benannt.

Viel Platz auf den Schienen: Die meisten Bahnen bleiben ab heute in den Depots.

Foto: dpa

Fernreisende können nach Angaben des Unternehmens zwölf Stunden vor Abreise auf der Internetseite (www.bahn.de) erfahren, ob sie wie geplant einsteigen können. "Wir können allerdings keine Garantien geben, dass es nicht kurzfristig zu Änderungen kommt", sagte eine Bahn-Sprecherin am Mittwoch.

Viele Reisende weichen auf Alternativen aus. Mehrere private Verkehrsunternehmen erklärten gestern, dass ihre Bahnen fahren. Dazu gehörten NordWestBahn, eurobahn und Westfalen-Bahn. Die Hochgeschwindigkeitszüge Thalys sollen ebenfalls regulär verkehren. Die Züge der MittelrheinBahn (MRB) fahren wie gewohnt auf den Strecken Mainz - Koblenz und Koblenz - Köln.

Wegen abgestellter DB-Fahrzeuge in Bahnhöfen und auf Gleisanlagen kann es nach Unternehmensangaben allerdings kurzfristig zu Beeinträchtigungen, Verspätungen und Störungen im Betriebsablauf der MRB kommen. Während des Streiks wird der Hamburg-Köln-Express GmbH (HKX) mit längeren Zügen fahren. "Wir werden am Wochenende unsere Kapazitäten erhöhen, um möglichst vielen Fahrgästen eine Alternative zu bieten", sagt HKX-Geschäftsführer Carsten Carstensen. Die Nachfrage sei hoch.

Vom Streik betroffen sind auch alle Sonderzüge der Bahn zu Fußball-Bundesligaspielen. Die An- und Abreise der Fans zu den Stadien könne durch die DB nicht sichergestellt werden, teilte die Bahn mit.

Auch bei ADAC Postbus spürt man Auswirkungen des Streiks. "Bei uns gehen die Buchungen durch die Decke", sagte ADAC- Sprecher Jochen Oesterle am Mittwoch auf Anfrage. Bereits kurz nach Bekanntwerden der Streikpläne am Dienstag habe man fünfmal mehr Buchungen erhalten als an normalen Tagen.

Das Fernbusunternehmen setzt während des Streiks daher auf den nachfragestärksten Routen, darunter auch die Strecken Berlin - NRW und Frankfurt - Köln, zusätzliche Busse ein. Diese fahren zu den gewohnten Zeiten und Preisen. Da die Zusatzbusse erst nach und nach in das Buchungssystem aufgenommen werden, können auch bereits ausgebuchte Strecken kurzfristig wieder verfügbar werden.

Bei den Bonner Stadtwerken sieht man dem Streik entspannt entgegen. "Wir setzen keine zusätzlichen Busse und Bahnen ein, weil wir nicht abschätzen können, wie hoch das zusätzliche Fahrgastaufkommen sein wird", erklärte SWB-Sprecherin Angelika John gestern. Von Streiks aus der Vergangenheit wisse man aber, dass besonders auf den Linien 16 und 18 zwischen Bad Godesberg und Köln-Niehl beziehungsweise zwischen Bonn-Ramersdorf und Köln-Thielenbruch mit zusätzlichen Fahrgästen zu rechnen sei.

Die Bahn will während des Rekordstreiks der Lokführer etwa die Hälfte ihres Schienen-Güterverkehrs aufrechterhalten. "Der Streik ist eine gewaltige Herausforderung, der die deutschen Speditionen flexibel und mit hoher logistischer Kompetenz aber größtenteils gewachsen sein werden", sagte am Mittwoch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) in Bonn.

Frank Huster: "Zeitkritische Verkehre müssen über den Lkw transportiert und Massenguttransporte, soweit möglich, auf die Binnenschifffahrt verlagert werden. Die Auswirkungen des Streiks zeigen, wie unverhältnismäßig und einseitig der Arbeitskampf der GDL ist und wie dringend eine gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit benötigt wird."

Gewerkschaft EVG

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertritt insgesamt 210 000 Mitglieder aus rund einem Dutzend unterschiedlichen Berufsgruppen. In der EVG sind unter anderem bundesweit auch rund 5000 Lokführer organisiert.

Die Gewerkschaft entstand 2010 aus dem Zusammenschluss von Transnet und GDBA (Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten und Anwärter). Transnet war bis zu diesem Zeitpunkt federführend für alle Mitarbeiter der Deutschen Bahn tätig, die GDBA für Mitarbeiter unterschiedlicher Verkehrsbetriebe.

"Beide Gewerkschaften entstanden aus der Arbeiterbewegung und haben eine lange Tradition", erklärt EVG-Sprecher Uwe Reitz auf Anfrage des General-Anzeigers. "Unser Ansatz ist ein anderer als der der GDL", erklärt er. "Wir wollen solidarisch für alle etwas erreichen und nicht für eine einzelne Berufsgruppe." Bei den Eisenbahnunternehmen arbeite der eine mit dem anderen zusammen. Da könne niemand ausgeschlossen werden.

"Wir setzen auf Gemeinsamkeit, nicht auf Spaltung." Zur Streikkultur der EVG erklärt Reitz: "Wir würden nie aus Machtgründen streiken, so wie es im Moment die GDL macht." Damit bezieht er sich auf den Streit, wer künftig welche Berufsgruppen tariflich vertreten soll. Wenn die EVG zum Arbeitskampf aufrufe, dann nur, um Ziele zu erreichen, die den Kollegen nützten - wie beispielsweise mehr Lohn. Auch die EVG verhandelt zurzeit mit der Bahn, Streiks gab es von ihrer Seite jedoch bisher nicht.

Die EVG verlangt sechs Prozent mehr Lohn. Wie der EVG-Sprecher erklärt, sei die Stimmung zurzeit zwischen Kollegen, die unterschiedlichen Gewerkschaften angehören, teilweise sehr angespannt. "Es häufen sich Fälle, in denen Mitglieder der GDL unsere Mitglieder beschimpfen oder auffordern mitzustreiken." Früher habe es nie Probleme gegeben. "Die Stimmung hat sich in den letzten Wochen verändert." Er spricht von aggressivem Verhalten. "Das ist belastend." Das passiere, wenn die Politik der Spaltung geschürt werde.