Verunsicherung bei Unternehmen Wirtschaft entsetzt über harte Brexit-Fronten

Berlin · Der Deutschen Industrie- und Handelskammertag fordert Firmen auf, sich besser auf den schlimmsten Fall vorzubereiten. Viele Betriebe stellen sich auf mehr Bürokratie ein.

Die deutsche Wirtschaft hat angesichts der schwindenden Verhandlungszeit bis zum EU-Austritt Großbritanniens im März 2019 vor den gravierenden Folgen eines Scheiterns der Verhandlungen zwischen der EU und London gewarnt. „Die Brexit-Verunsicherung erreicht einen neuen Höchststand. In einem halben Jahr droht der Brexit, aber niemand weiß welcher“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben. Bereits die dritten Sommerferien seien verstrichen, ohne dass die Wirtschaft Klarheit über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien habe. „Viele Betriebe stellen sich notgedrungen auf den härtesten möglichen Brexit ein, also Grenzkontrollen, Zölle, mehr Bürokratie und deutlich höhere Kosten“, sagte Wansleben.

Beide Seiten hatten sich am Wochenende erneut unnachgiebig gezeigt. EU-Chefunterhändler Michel Barnier erklärte, die EU werde kein britisches Rosinenpicken dulden. Würde man Großbritannien den erwünschten privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt für Güter gewähren, ohne dass die Briten die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU aufrecht erhielten, wäre das europäische Projekt am Ende, warnte Barnier. Auch die britische Premierministerin Theresa May blieb hart und bestand auf dem sogenannten Chequers-Plan, wonach Großbritannien im Güterverkehr weiterhin einen privilegierten Zugang zum Binnenmarkt haben soll und dafür alle EU-Regeln einhalten müsste, im Dienstleistungsverkehr aber ebenso ausscheren würde wie bei der Freizügigkeit. Brüssel lehnt dies ab und bietet nur ein herkömmliches Freihandelsabkommen oder eine Zollunion an.

Es droht der harte Brexit

Die Zeit für eine Einigung drängt: Ursprünglich sollte sie bis Mitte Oktober gelingen. Da dieser Zeitplan nicht mehr eingehalten werden kann, will Barnier die Gespräche nun bis spätestens Mitte November abschließen. Dazu wäre dann ein EU-Sondergipfel nötig.

Käme es bis dahin nicht zu einer Einigung, würde Großbritannien ohne ein Abkommen aus der EU ausscheiden – der harte Brexit wäre nicht mehr zu verhindern. Insbesondere im Warenverkehr würde es dann gravierende Verschlechterungen geben, so Wansleben.

In London erhöhte Mays politischer Hauptgegner, der zurückgetretene Außenminister und Brexit-Befürworter Boris Johnson, am Montag den Druck auf die Premierministerin. Ihr auf dem Landsitz Chequers entstandener Brexit-Plan stelle einen Ausverkauf nationaler Interessen dar, sie gehe mit „wehender weißer Fahne“.

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