Firma Kessko in Beuel Wo Karamell und Kuvertüre fließen

BONN · Hinter der schlichten Bürofassade an der Königswinterer Straße in Beuel verbirgt sich der Eingang zum süßen Labyrinth. Der Eingang zu der Welt, die Helmut Kessler "mein Herzblut und mein Leben" nennt.

Die Maschine formt Blöcke aus Kuvertüre. Die Produktion beobachten zwei Generationen des Bonner Familienunternehmens Kessko: Ulrike Kessler, Gesellschafterin und Mitglied des Unternehmensbeirats, und ihr Onkel Helmut Kessler.

Die Maschine formt Blöcke aus Kuvertüre. Die Produktion beobachten zwei Generationen des Bonner Familienunternehmens Kessko: Ulrike Kessler, Gesellschafterin und Mitglied des Unternehmensbeirats, und ihr Onkel Helmut Kessler.

Foto: Max Malsch

Wenn der 77-Jährige mit sorgfältig gebundener Krawatte unter dem weißen Kittel mit einem Plastikspachtel eine Probe aus dem Brocken der noch warmen Marzipanmasse nimmt oder zeigt, wie im Kupferkessel kleine Schokokugeln auf Hochglanz poliert werden, bleibt kein Zweifel an seiner Begeisterung für das Unternehmen seiner Familie und dessen Produkte.

Kessko stellt seit mehr als 100 Jahren Zutaten und Vorprodukte für Bäcker, Konditoren, Eisproduzenten und die Süßwarenindustrie her. "Viele Rezepte haben sich in der ganzen Zeit nicht wesentlich verändert", sagt Helmut Kessler. In einem Alter, in dem andere die Füße hochlegen, verbringt er jeden Tag zumindest ein paar Stunden in der Firma. Für das Management sind zwei angestellte Geschäftsführer verantwortlich.

Hinter den Büros führt eine Metalltreppe in die über drei Etagen verteilte Kessko-Produktion, wo in jedem Raum andere Maschinen rösten, walzen, hacken, mischen oder formen. Hinter den Fassaden sorgt ein ausgeklügeltes Rohrsystem dafür, dass etwa die flüssige Kuvertüre aus dem Erdgeschoss in den ersten Stock gepumpt wird, wo sie zu dunkel glänzenden 2,5-Kilo-Blöcken oder schmalen Bändern für Schokosplitter weiterverarbeitet wird. Kessler begutachtet hier schnell ein paar Kakaobohnen, prüft dort, ob der Karton richtig etikettiert ist. Alltag im Schlaraffenland.

Hinter der nächsten Tür sind es Mandeln, die geschält, gewaschen und verlesen im Mahlwerk landen. Die Schicht der Marzipantorte aus der Konditorei könnte von Kessko stammen. Bis zu 15 Tonnen Rohmasse verlassen das Beueler Unternehmen - pro Tag. Das Rezept ist simpel: zwei Drittel Mandeln, ein Drittel Zucker, etwas Wasser.

Zwei Ecken weiter breitet sich eine hellbraun glänzende Masse auf einem großen Tisch aus. "Das Karamell wird hier gekühlt, bevor wir es zu Krokant-Splittern zerhacken", erklärt Kessler. Unter anderem Schokoladenhersteller ordern die Zutat aus Beuel.

Kessko fertigt neben den üblichen Bäckerei-Zutaten auch auf Bestellung. "Das ist unsere Nische", sagt der Unternehmer. "Wir sind der Lückenbüßer." Mit goldglänzender Schokolade umhüllte Kekskügelchen für den Eishersteller finden sich im Angebot neben der Fertigmischung für Käsekuchenbelag oder der Zwölf-Kilo-Packung gehobelter Haselnüsse.

Noch aus den Anfangszeiten des Unternehmens stammt die Produktion der so genannten Essenzen. In mannshohen Tonbehältern, zum Teil noch aus den Zeiten von Helmut Kesslers Großvater, werden Kräuter in Alkohol eingelegt, um ihr Aroma zu gewinnen. Die Zutaten klingen exotisch: Enzianwurzel, Chinarinde, Orangenblüten oder Veilchenwurzel warten im Regal auf ihren Einsatz. Der für die Destillation zuständige Mitarbeiter kennt jeden Geruch.

Und Kessler kennt offenbar jeden Beschäftigten, begrüßt alle mit Handschlag. "Wie lang sind Sie schon bei uns?", lautet seine Standardfrage. Oft sind es 20 Jahre oder mehr, dann lächelt Kessler zufrieden.

Trotz der regionalen Verwurzelung zieht es das Unternehmen auf den Weltmarkt. Jeder fünfte Euro wird im Export erwirtschaftet. Kessko beliefert unter anderem Konditoren in Hongkong und den USA. Der Jahresumsatz von rund 40 Millionen Euro schwanke stark unter anderem wegen der wechselnden Rohstoffkosten. Seit durch die Ebola-Epidemie in Westafrika die Landwirtschaft brachliegt, kosten Kakaobohnen mehr. Die Preise für Mandeln und Haselnüsse hätten sich in kurzer Zeit fast verdoppelt. "Der Wettbewerb ist mittlerweile enorm", sagt Kessler.

Spätestens in der Vorweihnachtszeit muss die Versorgung gesichert sein. Denn dann beginnt bei Kessko die Hochsaison. Daran hat sich in mehr als 100 Jahren Firmengeschichte wenig geändert. Gründer Gustav Kessler, gelernter Konditor, legte 1905 in Hilden den Grundstein für das Unternehmen.

Holländische Zwiebackcreme oder die Glasurmasse "Kesskolad" gehörten damals zum Angebot. 1917 zog Kessko nach Beuel. Bis heute wurde der Betrieb nach und nach erweitert und ausgebaut. Fleckige Rezeptbücher der Gründer und Maschinen aus den Anfangsjahren stehen heute im firmeneigenen Museumsraum.

An den Wänden der vielen Gänge zwischen den Produktionsräumen hängen historische Fotos. Ältere Beueler werden sich an das Jahr 1955 erinnern. Damals stürzte ein Düsenjet der britischen Airforce in die Schokoladenfabrik. Die Firmenchronik erinnert an "Kanalverstopfung durch ausgelaufene Trockenfruchtkerne".

Der Schoko-Experte

Klaus Ritter liebt Schokolade seit seiner Kindheit. Um sein Taschengeld aufzubessern, durfte er beim Konditor in der Nachbarschaft die Printen mit Kuvertüre beziehen. Heute stellt er den Guss gleich tonnenweise her. Der Lebensmitteltechniker überwacht die Kuvertüre-Produktion vom Rösten der Kakaobohnen bis zur Prüfung des Fettgehalts in der fertigen Masse.

Er ist dafür verantwortlich, dass die Kuvertüre immer die gleiche Farbe und den gleichen Geschmack hat. Aus bis zu 23 verschiedenen Sorten Kakaobohnen stellt er die richtige Mischung zusammen. Dafür arbeitet der 52-Jährige sowohl am Schreibtisch als auch an den Maschinen. Seine "Berufskrankheit": Auch in der Freizeit kann er kein Stück Schokolade essen, ohne über dessen Herstellung zu sinnieren.

Der Süßwaren-Tüftler

Mini-Ostereier aus Keks mit roter und grüner Schokolade überzogen als Dekoration für eine neue Eissorte? Ein gewöhnlicher Kundenwunsch, für den Dirk Brinkhaus, Leiter Produktentwicklung, in der Kessko-"Versuchsbackstube" seine Erfahrungen als Konditor einsetzt.

Wie muss die Teigmischung zusammengesetzt sein, damit die Kirschen nicht zu tief in den Kuchen sinken? Der 43-Jährige backt sich mit seinen Kollegen die Lösung.

Seine Abteilung überarbeitet bestehende Produkte und entwickelt Neuheiten für Süßwarenindustrie und Handwerk. Derzeit sei Karamell wieder sehr gefragt, sagt Brinkhaus. Weniger für den deutschen Geschmack als für den Export nach Nordeuropa suchten viele Industriekunden nach Möglichkeiten, Gebäck mit Lakritzgeschmack herzustellen.

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