VR-Anwendungen World of VR aus Köln entwickelt Geschäftsideen

Bonn · Virtuelle Welten sollen uns im Alltag unterstützen. Noch geht es damit aber nur langsam voran. Ein Kölner Start-up will das ändern.

 Das Manövrieren eines Tankers im Labor lernen: Nur eine der vielen Anwendungsmöglichkeiten von virtueller Realität.

Das Manövrieren eines Tankers im Labor lernen: Nur eine der vielen Anwendungsmöglichkeiten von virtueller Realität.

Foto: dpa

Eine neue Brille ist fällig, der Augenarzt hat Gleitsichtgläser verschrieben. Zwischen der Fernsicht im oberen Glasbereich und der Nahsicht im unteren gibt es eine Unschärfezone. Der Optiker in Bonn hat mehrere Güteklassen von Gläsern anzubieten, je weniger Unschärfe sie haben, desto teurer. „Können Sie die Unterschiede denn auch in VR demonstrieren?“, fragt der Kunde. Nein, sagt der Optiker, das sei ihm zu aufwendig und lohne sich nicht für sein Geschäft.

Timon Vielhaber, Geschäftsführer von World of VR, überrascht das nicht. VR – „virtuelle Realität“ – ist zwar seit einigen Jahren in aller Munde, auf dem Markt durchgesetzt hat sich die Technologie aber noch nicht. „VR wird oft auf Computerspiele reduziert“, erklärt Vielhaber. „Unsere größte Herausforderung ist zu zeigen, was man damit alles machen kann.“

Für die Firma Optovision in Langen bei Frankfurt entwickelt World of VR gerade eine VR-Anwendung, die für Kunden die Beschaffenheit verschiedener Glastypen beim Optiker erlebbar machen soll. Dafür braucht es noch nicht einmal eine mehrere Hundert Euro teure Gaming-Brille wie die Oculus Rift. Eine Vorrichtung aus Karton, in die ein Smartphone geklemmt wird, tut es auch. Auf das Display schaut der Betrachter durch zwei Linsen. Jedem Auge wird das Bild aus einer anderen Perspektive gezeigt, dadurch entsteht der dreidimensionale Eindruck.

„Wir sind ein Plattformunternehmen“, erklärt der 38-jährige Vielhaber, der sich vor zwei Jahren selbstständig machte. „Das heißt, wir bringen Kunden und Partner zusammen, denn als Start-up können wir die Arbeit nicht allein stemmen.“ Es geht auch darum, das unternehmerische Risiko auf mehrere Schultern zu verteilen.

Kooperation mit Deutscher Telekom und dem FIT in Sankt Augustin

So kooperiert World of VR beispielsweise mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) in Sankt Augustin und mit der Deutschen Telekom. Die Kontakte zu dem Bonner Konzern waren umso leichter zu knüpfen, als Vielhaber zehn Jahre dort gearbeitet hatte, bevor er den Sprung in die Existenzgründung wagte. Zuerst war die kleine Firma mit ihren rund zehn Beschäftigten in der Bundesstadt ansässig, dann zog man nach Köln. „Es gibt dort viel produzierenden Mittelstand, das ist der Vorteil.“

Bei World of VR ist man überzeugt, dass VR die „am schnellsten sich entwickelnde Technologie aller Zeiten“ sei. Dabei reichen die ersten Entwicklungen bereits in die 1960er Jahre zurück. Als Pionier gilt der US-Computergrafiker Ivan Sutherland, wie Leif Oppermann vom FIT berichtet. Sein Institut ist seit Ende der 1990er Jahren mit VR-Entwicklungen und Anwendungen im Bereich der „Augmented Reality“ (AR) befasst. AR ist eine Art Vorstufe zu VR. Statt den Betrachter vollständig in eine virtuelle Welt einzutauchen, ergänzen AR-Anwendungen die reale Umgebung durch auf dem Tablet- oder Smartphone-Bildschirm eingeblendete Informationen oder Objekte.

Auf Oppermanns Tablet etwa sieht man jetzt den umgebenden Raum und in diesen hineinprojiziert in 3D eine Sitzgruppe, einen Tisch und Aktenschränke. Mit dem Tablet in der Hand kann der Betrachter diesen Raum nun begehen. Möglich ist das unter anderem durch die Tango-Technologie von Google, durch die das Gerät seine jeweilige Position im Raum bestimmen kann.

Ein Wissenschaftskoffer für den naturwissenschaftlichen Unterricht

Vielhaber ist überzeugt, dass die Großen wie Google und Facebook, das den VR-Brillenhersteller Oculus gekauft hat, das Thema VR massentauglich machen können. Nur brauche man in Deutschland auch „mutige Mittelständler“, die sich an neue Anwendungen wagen. Er sieht keine Grenzen für die VR- und AR-Technologie. Ob in der Industrie, Architektur, dem Tourismus, im Handel oder Kulturbereich – überall seien neue Erlebnisse und vor allem auch neue Lernerfahrungen möglich.

Das Fraunhofer-Institut etwa hat einen Wissenschaftskoffer für Schüler entwickelt, der physikalische Experimente in Verbindung mit dem privaten PC ermöglicht. Im Koffer sind kleine Objekte für die Versuchsanordnung im realen Raum, während eine Webcam das Experiment auf den Computerbildschirm projiziert, wo mathematische Formeln und andere Daten eingeblendet werden.

An ein großes Kulturerlebnis in 3D hat sich kürzlich der WDR gewagt: Mit einer VR-Brille können Nutzer eine Zeitreise in die Geschichte des Kölner Doms unternehmen. „Vielen Unternehmen fehlt die Fantasie, was man alles mit VR machen kann“, klagt Vielhaber. Würde der Bonner Optiker den virtuellen Dom besuchen, würde ihn die Technologie möglicherweise überzeugen.

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