Unternehmen in der Region Yello so scharf wie nie

Wachtberg/Bonn · Gerd F. Schultze filmt mit seiner Wachtberger Firma Music-Delight Konzerte in höchster Auflösung. Music-Delight hat keine Festangestellten, sondern für die Produktionen ein europaweites Netzwerk von freien Mitarbeitern.

 Boris Blank von Yello im Berliner Kraftwerk am 26. Oktober. Das Team von Gerd F. Schultze hat den Auftritt in ultrahochauflösenden Bildern mitgeschnitten.

Boris Blank von Yello im Berliner Kraftwerk am 26. Oktober. Das Team von Gerd F. Schultze hat den Auftritt in ultrahochauflösenden Bildern mitgeschnitten.

Foto: picture alliance / dpa

Er kennt sie alle: Runrig, Max Raabe, Klaus Doldinger, Peter Maffay und Linkin Park. Mit Joe Cocker hatte er in den 1990er Jahren auch gearbeitet. Musik bestimmt das Leben von Gerd F. Schultze – privat und beruflich. Der Wachtberger filmt unter anderem Konzerte. Doch die herkömmlichen Methoden reizen ihn nicht, sondern eher bahnbrechende neueste Techniken. Darauf sind jüngst auch Yello aus der Schweiz aufmerksam geworden. Die Elektropop-Pioniere wollten Aufnahmen so scharf wie die Realität. Und bekamen sie auch.

Schultze will den anderen immer einen Schritt voraus sein, was seine 1990 gegründete Firma in der gesamten Region, selbst deutschlandweit einzigartig macht. Den Grundstein dafür hat der 61-Jährige Regisseur und Produzent selbst schon früh gelegt, indem er in Dortmund Journalistik, Fotografie und Filmdesign studierte – ein Pilotstudiengang. „Aufgewachsen bin ich in Bad Godesberg. Da war ich immer im Underground“, sagt Schultze. In dem legendären Musikclub an der Muffendorfer Hauptstraße traten vor Jahrzehnten auch schon jene Scorpions auf, mit denen er vor fünf Jahren eine weltweit hochgelobte Blu-Ray herstellte.

2011: Kurz nach dem Blockbuster Avatar waren alle wild auf 3D. Ein Kinofilm nach dem anderen ließ die Bilder aus der Leinwand ploppen. Doch ein ganzes Konzert so perfekt in Szene zu setzen, war neu. „Ich hatte viel gelesen, das Internet durchstöbert“, sagt Schultze, der auch viel mit Kameraherstellern sprach. Gerade bei einer agilen Liveband auf der Bühne sei es schwierig, die Effekte so einzufangen, dass der Zuschauer alles als natürlich empfinde und keine Kopfschmerzen bekomm. Die Scorpions selbst hielten in Saarbrücken Mikrofonständer und Gitarrenhals oft nah an die Kameras. Der Fan mit 3D-Brille daheim zuckt dabei intuitiv zurück.

Schultze machte ein Volontariat und sah dann 1973 Tom Petty im ersten Rockpalast: „Da war mir klar, dass ich was mit Bildern und Musik machen möchte.“ Er schaffte es 1982 auf den Regiesessel der WDR-Rocksendung. Für RTL drehte er die erste Action-Casting-Show „Match – Die Suche nach dem härtesten Mann Deutschlands“ und war damit schon seiner Zeit voraus. Doch erst mit der Selbstständigkeit verwirklichte der Pecher seinen Traum, sich auf die Musik mit Dokumentationen, Porträts und Livekonzerten zu konzentrieren. Über mehr als zwei Jahrzehnte produzierte er eigene Formate wie etwa „Music Hall“ für den HR, „Rocklife“ für den HR und WDR, 3Sat, Sat1,Super RTL sowie für den Rockpalast und zudem im Auftrag der Künstler selbst. Dabei kamen bis heute mehr als tausend Stunden Material für TV, DVD und Blu-Ray zusammen.

Music-Delight hat keine Festangestellten, sondern für die Produktionen ein europaweites Netzwerk von freien Mitarbeitern. In Pech kümmert sich Schultzes Sohn Leon (21) um Regieassistenz und Schnitt, Lebenspartnerin Eva-Maria Höttecke organisiert das Büro. Je nach Projekt heuert die Firma zwischen 40 und 150 hoch spezialisierte Mitarbeiter an, darunter Lichtdesigner, Techniker, Kameraleute und Bildmischer.

Die modernste Technik wird gemietet. Schon deshalb, weil sie beim nächsten Auftrag schon veraltet sein könnte. „Ich habe immer in die Inhalte investiert“, sagt der Regisseur, der sein Unternehmen als „kleinen, feinen Musik- und Kulturbetrieb“ versteht. Die Jahresumsätze lägen meist im sechs- bis siebenstelligen Bereich, was aber von Anzahl und Umfang der Projekte abhänge. Großes, noch nicht genutztes Potenzial sieht Gerd F. Schultze auch in Bonn und der Region, die sich zu einem kompetenten und auf zukunftsweisende Technologie spezialisierten, kreativen Medienstandort entwickeln könne.

Auf 3D folgte 4K oder UHD. Diese Ultra High Definition stellt mit 3840 mal 2160 Pixeln das schon brillante HD-Format noch mal in den Schatten. Vor drei Jahren wagte sich Schultze an solche Aufnahmen, unter anderem für ein Konzert mit Linkin Park. Das war die erste UHD-Live-Übertragung überhaupt – ausgestrahlt von Samsung und vom Satellitenbetreiber SES Astra zur Einführung in den weltweiten UHD-Milliardenmarkt im November 2014. „Das war eine wirkliche Weltpremiere, an die sich zuvor niemand gewagt hatte“, so der Regisseur. Ein Wettlauf mit der Zeit, so etwas als Erster zu machen. Am Ende schafften es nicht die Japaner oder USA. Es war „Made in Pech“.

Das Ultrabild war wegen der enormen Bildtiefe und Schärfe „auf einmal 3D ohne Brille“, sagt Schultze. Seifenblasen steigen im violett-gelben Scheinwerferlicht auf, in die man am liebsten hineingreifen möchte. „Wenig Kamerabewegung ist das Ziel“, sagt Leon Schultze am Schnittplatz. Sein Vater merkt an: „UHD ist wie aus dem Fenster zu schauen oder ein Gemälde zu betrachten.“ Großes Kino, das langsam, aber sicher Einzug in die Wohnzimmer hält.

Yello standen nun Ende Oktober für vier Konzerte im alten Kraftwerk Berlin auf der Bühne – die ersten nach 38 Jahren. Treten auch 2017 auf. „Dieter Meier ist ein großartiger Videokünstler, Boris Blank ein genialer Elektro-Komponist“ sagt Schultze. „Selbst die beste Schweizer Uhr hat keine Chance gegen diese Perfektion.“

So hatte er mit seinem 50 Mann starken Team zwei Tage lang hoch konzentriert mit einer in Europa bis heute noch kaum verfügbaren Aufzeichnungstechnik – nämlich in UHD/HDR (High Dynamic Range) mit schier unendlich vielen Farben gedreht. Zudem aus unterschiedlichen Positionen mit fahrbaren Kameras und einem Kamerakran. So hat Schultze einen weiteren Meilenstein mit zukunftsweisender Aufzeichnungstechnik gelegt. Das ist so einzigartig, dass Ausschnitte auf Industriemessen wie der NAB in Las Vegas im Frühjahr 2017 gezeigt und von Sky für Laborzwecke genutzt werden. Der Sender will herausfinden, wie man künftig die riesigen Datenmengen solcher Bilder ohne Qualitätsverlust auf die heimischen Fernseher bringen kann.

Der 61-Jährige hofft, irgendwann noch mal seine Idole „vor die Flinte zu kriegen“: Neben Tom Petty, seiner ersten Begegnung im Rockpalast, ist das Neil Young. Wie gut, dass der Technik liebt.

www.music-delight.de

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