EU-Richter und Gen-Kartoffeln Zulassung der Amflora war rechtswidrig
BRÜSSEL/LUXEMBURG · Die umstrittene Gen-Kartoffel "Amflora" hätte in der EU nie angebaut werden dürfen. Knapp zwei Jahre, nachdem Hersteller BASF seine Versuche mit der gentechnisch veränderten Pflanze im Januar 2012 eingestellt hatte, hob der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Freitag die weiter bestehenden Genehmigungen mit sofortiger Wirkung auf.
Die Umweltorganisation Greenpeace kommentierte das Urteil mit den Worten: "Die Kartoffel, die keiner wollte, war noch nicht einmal legal zugelassen. Damit ist die unrühmliche Geschichte der Amflora endgültig beendet."
Auslöser des Rechtstreites war eine Klage Ungarns wegen schwerer Verfahrensfehler, die der EuGH bestätigte. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens hatte die EU-Kommission 2005 eine erste Stellungnahme ihrer Lebensmittelagentur EFSA in Parma (Italien) eingeholt, in der keine Bedenken gegen eine Aussaat erhoben wurden. Wie vorgeschrieben ließ Brüssel das Gutachten von den zuständigen Ausschüssen prüfen, die aus den Vertretern der Mitgliedstaaten bestehen. Allerdings enthielt das Papier auch widersprechende Äußerungen einiger Experten.
Um diese auszuräumen, beauftragte die Kommission vier Jahre später die EFSA-Fachleute mit einer zweiten Studie, die sie den Gremien aber vorenthielt. Nach Auffassung des Gerichtes wäre das Verfahren jedoch "wesentlich anders" ausgefallen, wenn die Ausschüsse dieses neuere Papier zur Kenntnis bekommen hätten. Auch wenn diese zweite Ausarbeitung aus Parma ebenso befürwortend wie die erste gewesen sei, habe es "erhebliche Unterschiede" gegeben, die in das Urteil der Regierungsvertreter aus den damaligen Mitgliedstaaten hätten einfließen müssen. Denn sie wäre ein wichtiger Beitrag für eine "inhaltliche Neubewertung" gewesen.
Die Amflora, die als Futtermittel sowie zur industriellen Produktion genutzt werden sollte, war 2010 nach 13-jährigem Verfahren zugelassen worden - durch einen einseitigen Rechtsakt der Kommission. 2012 stellte Hersteller BASF den Anbau wieder ein, weil der öffentliche Widerstand nicht nachließ. Zeitweise hatten sogar Polizeibeamte die Flächen in Mecklenburg-Vorpommern bewachen müssen. Neben dem Genmais MON810 war Amflora die einzige gentechnisch veränderte Pflanze, die je in der Union angebaut wurde.
Für Brüssel ist das Urteil ein schwerer Rückschlag. Dass die Kommission gentechnisch veränderten Produkten positiv gegenübersteht, ist bekannt. Doch es gab immer wieder Gegenwind aus den Regierungshauptstädten. Erst vor einer Woche hatte Brüssel die Mitgliedstaaten auffordern müssen, noch bis Jahresende über den Antrag des US-Herstellers Pioneer zu entscheiden, der eine gegen Mottenlarven resistente Maissorte in Europa aussähen will. Das Unternehmen wartet seit 2001 auf eine Genehmigung der EU. Um derart langwierige Verfahren zu vereinfachen, hat Brüssel inzwischen einen Gesetzgebungsvorschlag eingebracht, der allerdings von Frankreich und Deutschland blockiert wird.
Demnach soll ein Verbot aus Brüssel für alle Mitgliedstaaten gelten, eine Zulassung aber von jeder Regierung noch einmal überprüft werden können. Nach der Entscheidung vom Freitag dürfte der Anbau solcher Pflanzen allerdings noch schwieriger, wenn nicht gar unmöglich werden. (Aktenzeichen: EuGH Rechtssache T-240/10).