Arbeitsbedingungen in der Paketzustellung Zusteller: Verdi fordert politisches Handeln

Bonn · Die Gewerkschaft Verdi will, dass die Paketdienstleister für die Arbeitsbedingungen der von ihnen eingesetzten Subunternehmer haften müssen.

Es gibt sie immer häufiger auch in der Region: Gruppen osteuropäischer Männer, die von Subunternehmern verschiedener Paketdienste nach Deutschland geholt werden, in einem Privathaus eine Gruppenunterkunft bekommen und als Zusteller arbeiten. Im Sankt Augustiner Stadtteil Birlinghoven sind die Zusteller seit mehreren Monaten ein großes Gesprächsthema im Ort, weil die Transporter der Zusteller die wenigen öffentlichen Parkplätze versperren. Auch den Stadtrat beschäftigte das Thema schon. „Es ist sehr schwierig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, da sie fast kein Deutsch verstehen“, sagt die Ortsvorsteherin von Birlinghoven, Heike Borowski. Und der Subunternehmer selbst zucke nur mit den Achseln. Die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Menschen, die im Auftrag großer Logistikfirmen unterwegs sind, hat kaum jemand im Blick.

Andreas Kocsis, stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, fordert ein Eingreifen der Politik: „Wir sind der Auffassung, dass die großen Paketdienstleister haften müssen“, sagte Kocsis, die bei Verdi den Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik leitet. Die Auftraggeber müssten für die Arbeitsbedingungen der Subunternehmer mitverantwortlich gemacht werden. Kocsis verweist auf das Gesetz zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte, wie es bereits für die Baubranche und Fleischwirtschaft gilt.

Vorwurf der „mafiaähnlichen Strukturen“

Das Gesetz schreibe eine weitreichende Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge fest. „Es ist erforderlich, dieses Gesetz auch auf die Paketbranche auszudehnen“, forderte Sigrun Rauch, Postexpertin bei Verdi.

Es gebe außerdem viel zu wenig Kontrolle der Subunternehmer durch die staatlichen Behörden, so Rauch: „Es fehlt an Personal bei den staatlichen Stellen.“ Wenn es dann doch einmal Kontrollen gebe, seien die Ergebnisse verheerend. Es sei von „mafiaähnlichen Strukturen“ die Rede. Immer mehr Personalvermittlungsfirmen würden Menschen, die gar nicht aus EU-Ländern stammten, mit EU-Papieren ausstatten, um sie hier in der Zustellung einzusetzen.

Die großen Anbieter setzten auf ein Geschäftsmodell, das darauf abziele, dass „man das nicht kontrollieren kann“, sagte Kocsis, die auch stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates der Deutschen Post DHL ist. Es gebe keine Tarifverträge, keine Betriebsräte, der Mindestlohn werde nicht gezahlt, es würden keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Es gebe mittlerweile Arbeitsvermittlungen, die Menschen etwa in Moldawien oder Rumänien anheuerten, „die werden in Bussen hergekarrt, in Unterkünften zusammengepfercht, die sind hier nicht gemeldet“.

Bei der Deutschen Post sieht man Subunternehmer nicht als besonders großes Thema für den Konzern an. „98 Prozent unserer Pakete werden von eigenen Kräften zugestellt“, sagt Unternehmenssprecher Dirk Klasen. Die Anforderungen an Subunternehmer seien klar geregelt. Sie müssten unterschreiben, dass sie auf die Arbeitsbedingungen und alle gesetzlichen Regelungen, wie auch das Mindestlohngesetz, achten. Der Konzern behalte sich vor, bei Verstößen gegen die gesetzlichen Bedingungen die Zusammenarbeit aufzukündigen. Ein direkter Eingriff in die Lohnstruktur der Partner sei jedoch nicht möglich, da es sich um selbstständige Unternehmen handelt.

Die Postdienstleister Hermes, DPD und GLS arbeiten nach Gewerkschaftsangaben in der Zustellung nur mit Subunternehmern. Bei Hermes gibt man sich umsichtig: „Wir betonen explizit, dass Hermes es nicht toleriert, wenn Servicepartner gesetzliche Regelungen unterlaufen“, sagt ein Sprecher. Vor allem sei die vollständige Einhaltung der Lohn- und Arbeitszeitgesetze unabdingbar. Geschehe dies nicht, greift ein interner Prüfprozess. Auf dieser Basis behalte Hermes es sich vor, die Zusammenarbeit in letzter Konsequenz zu beenden.

Der zweitgrößte Paketzusteller in Deutschland hat zum 1. März die Paketpreise für Händler um durchschnittlich 4,5 Prozent erhöht. in der Vorweihnachtszeit zahlen Onlinehändler zudem einen Zuschlag. Die Mehreinnahmen sollen in die Entlohnung von Servicepartnern und Zustellern fließen. Mehr als 100 Millionen Euro will Hermes, Tochter des Handelskonzerns Otto, in den kommenden Jahren in Lohn- und Personalkosten investieren. Der Stundenlohn der Zusteller solle so perspektivisch auf mindestens zwölf Euro pro Stunde steigen. 2019 werde eine Erhöhung auf mehr als zehn Euro umgesetzt. „Wir halten nach, dass alle Hermes-Servicepartner ihren Beschäftigten mindestens den gesetzlichen Mindestlohn zahlen – oder mehr“, so der Sprecher.

Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums verweist darauf, dass zur Absicherung des Mindestlohnanspruchs bei Subunternehmern bereits eine Haftung des Auftraggebers bestehe. Das gelte auch für die Branche der Paketdienste. Dieser Anspruch könne auch eingeklagt werden. Das sei in Bonn schon geschehen.

Die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche sehen auch Wissenschaftler kritisch. Die Experten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin weisen auf die Belastungen für Paketzusteller durch den Boom des Onlinehandels hin: „Da die Gruppe im Straßenverkehr mobil beschäftigt ist, können Fehler besonders weitreichende und teilweise tödliche Auswirkungen haben.“

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