Begünstigt durch staatliche Eingriffe Spanien erlebt ein Wirtschaftswunder

Madrid · Rekordwachstum, niedrige Inflation, soziale Wohltaten: Spanien verzeichnet das größte Konjunkturplus seit 20 Jahren. Begünstigt wurde das Wachstum vor allem durch staatliche Eingriffe.

Eine Frau verlässt einen Supermarkt in Madrid. In Spanien wurde die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel abgeschafft.

Eine Frau verlässt einen Supermarkt in Madrid. In Spanien wurde die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel abgeschafft.

Foto: dpa/Alberto Ortega

Die Touristen sind nach der Pandemie – und trotz Ukrainekrieg und Energiekrise – in Massen zurückgekommen: Mallorca war in der vergangenen Hochsaison so gut wie ausgebucht. Auch auf den frühlingshaften Kanaren ist es jetzt rappelvoll. Der Bau von Ferienwohnungen an Spaniens Küsten boomt ebenfalls wieder. Überall im Land zeugt ein Meer von Baukränen davon, dass Spaniens Wirtschaftsmotor auf Hochtouren läuft. Die jüngsten Zahlen des Statistikamts in Madrid bestätigen dies: Satte 5,5 Prozent legte die spanische Wirtschaft im vergangenen Jahr zu. Damit steht das südeuropäische Land besser da, als die meisten nordeuropäischen Staaten.

Es ist das größte Konjunkturplus, das in Spanien seit 20 Jahren registriert wurde – Tourismus und Bauindustrie sind die Lokomotiven. In Deutschland wurde das Wachstum in 2022 auf 1,9 Prozent geschätzt, in der gesamten Eurozone auf 3,5 Prozent. Sogar Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez war positiv überrascht, als die neusten Daten für das Jahr 2022 bekannt wurden, das durch Russlands Angriff auf die Ukraine und durch die nachfolgende Energiekrise schwer belastet wurde. „Unser Land kommt besser durch die Krise als die Staaten in unserer Umgebung“, sagt Sánchez. Und zwar nicht nur in Sachen Wachstum, das dafür sorgt, dass die Arbeitslosigkeit in Spanien auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren sank – obwohl sie mit heute 13 Prozent immer noch erschreckend hoch ist. Auch bei der Inflationsbekämpfung leistet Spanien Erstaunliches: Im Dezember 2022 lag die Preissteigerung nur noch bei 5,5 Prozent – in der gesamten EU befand sich die Rate bei 10,4 Prozent. Im Januar, in der die Inflation in der Eurozone auf 8,5 Prozent sank, gehört Spanien hinsichtlich der Preiszügelung weiter zu den Musterknaben.

Strompreisbremse macht Schule

Wie haben es die Spanier geschafft, die Inflationsspirale, die im vergangenen Sommer auch im spanischen Königreich zehn Prozent erreichte, herunterzudrehen? Antwort: Vor allem mit staatlichen Eingriffen im Lebensmittel-, Miet- und Energiemarkt.

Besonders Spaniens Strompreisbremse macht Schule: Die EU einigte sich, nach den guten Erfahrungen in Spanien, im Dezember ebenfalls auf eine Deckelung. Spanien führte diesen Mechanismus im Sommer 2022 ein und gehört heute zu jenen EU-Ländern mit dem niedrigsten Strompreis. Diese Deckelung sieht vor, dass der Großmarktpreis für jenes Gas, das von den spanischen Kraftwerksbetreibern zur Stromerzeugung verbrannt wird, per Gesetz limitiert wird. Da die Kosten des zur Stromerzeugung benutzten Gases erheblichen Einfluss auf die Preisbildung haben, sanken nach Einführung des Deckels die Stromtarife spürbar. Auch bei den Wohnungsmieten baute Spaniens Regierung eine Bremse ein. Damit wurde die jährliche Erhöhung der Wohnungsmieten auf maximal zwei Prozent begrenzt.

Anfang 2023 folgte ein zusätzlicher Schritt, um die Bürger vor den Folgen der Inflationskrise zu schützen: Bei Grundnahrungsmitteln wurde die Mehrwertsteuer eliminiert. Die massive staatliche Subvention des öffentlichen Nahverkehrs half gleichfalls bei der Senkung der Inflationsrate: Ein Null-Euro-Ticket für S-Bahnen wurde eingeführt, Bahn- und Bus-Abos wurden landesweit um 50 Prozent billiger. „Wir haben 45 Milliarden Euro mobilisiert“, berichtete Sánche im spanischen Parlament. Für Krisenpakete, die vor allem den Familien, aber auch Unternehmen zugutekommen. Bei der Finanzierung hilft, dass angesichts der blühenden Wirtschaft die Steuereinnahmen sprudeln und sich auf Rekordhöhe befinden.

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