Qualitätsproblem bei Klamotten Altkleider taugen oft nicht einmal zum Putzlappen

Berlin · Bei Altkleidern gibt es ein Qualitätsproblem. Recycling wird immer schwieriger. Baumwoll-Shirts zum Schnäppchenpreis taugen nicht, um sie secondhand anzubieten. Polyesterkleidchen lassen sich nicht einmal mehr zum Putzlappen ummodeln.

„Doch“, „ja“, „auf jeden Fall“ – es lohne sich trotz allem noch, aussortierte Blusen, Hosen oder Jacken zum Altkleidercontainer zu bringen, sagt Thomas Ahlmann. Ahlmann ist vom Dachverband Fairwertung, einem Netzwerk gemeinnütziger Altkleidersammler. Diese seien nach wie vor auf modische, gut erhaltene Kleidung für wohltätige Zwecke angewiesen. Nur: Die Branche steht vor einem ungeahnten Problem.

Das System Fast Fashion geht zu ihren lasten: Die ausrangierten Klamotten haben schlicht eine zu schlechte Qualität. Das Baumwoll-Shirt zum Schnäppchenpreis von 1,99 Euro taugt nicht, um es noch secondhand anzubieten, weil die Nähte nicht halten. Das billige Polyesterkleidchen für 5,99 Euro lässt sich nicht einmal mehr zum Putzlappen ummodeln, ihm fehlt die Saugkraft.

Was heute Trend ist, wird morgen schon wieder aussortiert. Früher habe es drei bis vier Kollektionen im Jahr gegeben, zu jeder Jahreszeit etwa eine, heute werfe manche Modekette im 14-Tage-Takt eine neue Kollektion mit anderen Schnitten, Farben, Desgins auf den Markt, erklärt Ahlmann. Den Kunden werde immer öfter ein neues Einkaufserlebnis versprochen.

Der moderne Modezirkus hat nur noch wenig mit den Zeiten zu tun, als im Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter, die Regale je nachdem mal mit kurzen und mal mit langen Shirt aufgefüllt wurden. Fummel für Fummel gehen über die Ladentheke.

Jeder Deutsche kauft im Schnitt etwa fünf Kleidungstücke im Monat, 60 im Jahr, sagt Kirsten Brodde, Textilexpertin von Greenpeace.Weltweit habe sich die Textilproduktion in 15 Jahren, von 2000 bis 2015 verdoppelt. So würden mittlerweile mehr als hundert Milliarden Kleidungsstücke pro Jahr hergestellt, was einem Umsatz von etwa 1,6 Billionen Euro entspreche. „Das ist mehr Zeug, als alle Menschen auf diesem Planeten jemals auftragen können“, meint Brodde. Die meisten Menschen hierzulande zögen gut 40 Prozent der Klamotten selten oder gar nicht an. Kleidung sei zur „Wegwerfware“ verkommen.

Nur eine kurze Zeit, dann muss ein neues Teil her und das alte weg. Die Altkleiderbranche steht denn auch „vor einem Rekordjahr“, sagt Ahlmann. So voll wie in diesem Jahr seien die Container noch nie gewesen. Darin landeten in der letzten Zeit pro Jahr schon immer etwa gut eine Million Tonnen Kleider. Das entspräche bereits „den Ladungen einer Lkw-Schlange von Kiel bis Innsbruck“, rechnet Ahlmann vor. Doch die Menge sei 2018 noch größer. Denn seien die Container in den Jahren zuvor eigentlich nur im Frühjahr und Herbst richtig voll gewesen, sei dies in 2018 „durchgängig“ der Fall gewesen.

Zehn Prozent der Altkleider wandern in den Müll

Wer sein Sommerkleid oder das T-Shirt in den Container steckt, geht zumeist davon aus, dass seine Sachen irgendwie weiter genutzt werden. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass der schnelle Modezyklus seinen Preis hat: Die Arbeiter bekommen oft nur geringe Löhne, die Umweltbelastung ist enorm, die Bekleidungsindustrie verursacht mehr Treibhausgase als alle internationalen Flüge und Schiffe zusammen. Doch kaum einer weiß, dass die Idee an ihre Grenzen kommt, die ausrangierten Klamotten immer wieder aufzuhübschen. Die Aufbereitung – sie läuft nicht mehr rund.

Eigentlich funktioniere das so, erklärt Jörg Lacher vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung: Der Großteil der Altkleider wird – auch wenn ein wohltätige Organisation sammelt – an Profi-Verwerter verkauft. Denn es kommt viel mehr zusammen als etwa das Rote Kreuz vor Ort an Hosen und Shirts braucht, so dass nicht die Kleider selbst die Spende sind, sondern mit den Einnahmen werden soziale Projekte finanziert. Die Leute in den Sortierbetrieben gucken dann jedes Teil genau an, suchen die gut erhaltenen Stücke raus. Diese hätten bislang etwa die Hälfte aller gesammelten Kleider ausgemacht – und brächten die notwendigen Einnahmen, um das Recyclingsystem zu finanzieren und aufrecht zu erhalten. Die guten Stücke würden weiter verkauft, als Second-Hand-Kleidung vor allem in Osteuropa und in afrikanischen Ländern.

Nur nehme der Anteil der noch tragbaren Teile ab: Nähte gingen zu schnell auf, Stoffe rissen schneller. Das mache das Geschäft nicht leichter, sagt Lacher. Ahlmann von Fairwertung sagt es deutlicher. Er sieht über „kurz oder lang eine Schieflage“, das System könne sich irgendwann nicht mehr selbst finanzieren. Und dann erklärt er weiter:

Schon heute müssten die Sortierer zehn Prozent der Altkleider in den Müll werfen – und für deren Entsorgung sogar zahlen. Und aus den anderen rund 40 Prozent Sammlung entstünden derzeit Putzlappen für die Industrie, Malervlies, Dämmstoffe, weil es noch keine wirtschaftlich rentable Technik gebe, um aus einer alten Jeans wieder eine neuen Jeans zu machen. Dieses sogenannte Downcycling sei aber „kaum kostendeckend“.

Obendrein komme der neue Trend: Die modernen Stoffe eigneten sich häufig nicht einmal mehr für Putzlappen. Die billige Mode, der rasante Wandel, ist nur möglich, weil der Polyesteranteil zunimmt, Synthetik-Mischgewebe sind vergleichsweise billig, Stücke ganz aus Polyester sowieso. Im Jahr 2000 wurden weltweit noch 8,3 Millionen Tonnen Polyester für Kleidung verwendet. Gut 15 Jahre später war die Menge um rund 157 Prozent angestiegen. Ahlmann sagt: „Aus Synthetik lässt sich aber kein Wischtuch machen, viele Stücke sind nur bedingt recyclingfähig, andere gar nicht.“

Er fordert: „Modeketten müssen wieder qualitativ hochwertigere Kleidung produzieren, die langlebig ist und sich sinnvoll wieder verwerten lässt“. Auch Lacher will weg von der Ex-und Hopp-Kleidung. „Sollte dies auf mittlere Sicht nicht geschehen, müsste man überlegen, inwieweit der Gesetzgeber Mindeststandards vorgeben könnte“, sagt er. Und Brodde meint: „Ökologischer als jedes Recycling ist es, Kleidung wieder zu schätzen, mit ihr pfleglich umzugehen, sie zu reparieren, anders zu kombinieren und auch mal mit Freunden zu tauschen.“

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