Konsequenzen aus Corona-Infizierungen Aus für Werkverträge in der Fleischindustrie

Berlin · Nach Corona-Infektionen in der Branche verschärft die Bundesregierung die Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften.

 Mitarbeiter eines Schlachthofs arbeiten am Fließband.

Mitarbeiter eines Schlachthofs arbeiten am Fließband.

Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Die Bundesregierung zieht tiefgreifende Konsequenzen aus den Corona-Infizierungen bei Beschäftigten der Fleischindustrie und ahndet damit jetzt auch jahrelange Verstöße gegen den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Branche. Ab Januar 2021 sind hier Werkverträge - sie erschweren durch verschachtelte Beschäftigungsverhältnisse mit Ketten von Subunternehmern Haftung und Kontrolle - weitgehend verboten. Das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch ist dann nur noch mit eigenen Beschäftigten des Betriebes zulässig. Das teilte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch in Berlin nach dem entsprechenden Kabinettsbeschluss mit. Der Bußgeldrahmen bei Verstößen gegen die Arbeitszeitvorschriften steigt von 15000 auf 30000 Euro. Die Arbeitszeit wird künftig digital erfasst.

In der Fleischindustrie arbeiten Heil zufolge 50 bis 80 Prozent der Beschäftigten mit Werkverträgen, die meisten von ihnen Osteuropäer. Häufig lebten sie unter unwürdigen Zuständen in Sammelunterkünften. Die Länder sollen die Kontrollen zur Einhaltung der Gesundheitsstandards verschärfen und Prüfquoten erfüllen. Ferner müssten ausländische Arbeitskräfte in ihrer Muttersprache über ihre Rechte in Deutschland aufgeklärt werden. Heil mahnte: „Es ist kein Hexenwerk, Beschäftigte anzustellen.“ Ausgenommen von der Regelung seien sozusagen Metzger auf dem Land –Bioschlachter, Hausschlachter und Schlachterhandwerker an der Theke im Supermarkt. Der Minister rechnet nach eigenen Worten damit, dass Lobbyisten Verfassungsbedenken gegen die Entscheidung vorbringen werden, bewertete das aber bereits als „klassisches Totschlagargument“. Heil: „Es ist nicht verfassungswidrig, dass man unterschiedliche Branchen unterschiedlich behandelt.“ Und Artikel 1 des Grundgesetzes schütze die Würde des Menschen.

Deutschlands größter Fleischfabrikant, Clemens Tönnies, warb für eine branchenübergreifende Lösung. „Wir brauchen in der gesamten deutschen Wirtschaft einen fairen Werkvertrag mit klaren Strukturen und Verantwortlichkeiten“, erklärte Tönnies, der geschäftsführender Gesellschafter der Tönnies Unternehmensgruppe in Rheda-Wiedenbrück ist, in einer Mitteilung. Er schlägt die Abschaffung von undurchsichtigen Sub-Sub-Konstruktionen vor, Werkverträge unter zwei Partnern sollten aber zulässig bleiben. Die Durchgriffshaftung des Auftraggebers auf die Wohnverhältnisse von Arbeitskräften sollte erweitert werden. Der Auftraggeber hafte für eine „menschenwürdige und wirtschaftlich faire Unterbringung aller Beschäftigten“. Der gesetzliche Mindestlohn in der Branche solle auf zwölf Euro steigen.

Heil betonte: „Ich plane aktuell nicht über die Fleischindustrie hinaus.“ Jahrelang habe die Fleischindustrie auf Selbstverpflichtungen gepocht und die Politik ausgetrickst: „Wir können dieses Spiel von Selbstverpflichtung zu Selbstverpflichtung nicht wiederholen.“ Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte unserer Redaktion: „Die Vorschläge von Herrn Tönnies dürften sich mit der aktuellen Beschlusslage der Bundesregierung erledigt haben.“

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