Abgasmanipulation Autobauer haben wohl gezielt illegale Software bestellt

Berlin · Interne Unterlagen von Bosch gewähren einen tiefen Einblick in die Abgasmanipulation der Automobilindustrie. Offenbar waren 44 verschiedene Methoden im Einsatz.

 Bisher unveröffentlichte Dokumente zeigen aus Sicht der DUH das Ausmaß des Diesel-Betrugs.

Bisher unveröffentlichte Dokumente zeigen aus Sicht der DUH das Ausmaß des Diesel-Betrugs.

Foto: dpa/Marijan Murat

Neue Wendung im Diesel-Abgasskandal: Offenbar haben die großen deutschen Autobauer beim Autozulieferer Bosch gezielt Software bestellt, um die Abgase bei Dieselmotoren zu manipulieren. „Es war ganz klar angelegter Betrug“, sagt Axel Friedrich, Verkehrsexperte der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Er schätzt, dass es ähnliche Absprachen auch mit den Zulieferern Continental und Delphi gab. Beweise dafür sind bisher nicht öffentlich geworden.

Interne Unterlagen von Bosch legen nahe, dass die Autobauer Audi, BMW, Daimler und VW nicht nur seit September 2006 über illegale Abgasmanipulation ihrer Dieselmotoren Bescheid wussten, sondern sie sogar gemeinsam aktiv in Auftrag gegeben haben. Zudem listet ein Papier 44 verschiedene Methoden auf. Die Unterlagen bekam die Umwelthilfe im Sommer aus der Autoindustrie zugespielt. „Dieselgate ist das Ergebnis einer Auftragsarbeit“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Er sprach von einem Kartell der vier Autohersteller. Bosch habe die illegalen Wünsche dann umgesetzt.

Illegale Abschalteinrichtung eingebaut

Bekannt wurde der Skandal im September 2015. Damals berichtete die US-Umweltbehörde EPA, dass in Diesel-Fahrzeugen von VW eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut war. Die Software konnte zwischen einer Testsituation und dem Normalbetrieb unterscheiden. Die Fahrzeuge hielten auf dem Prüfstand die Abgasgrenzwerte ein, bliesen im realen Straßenbetrieb aber deutlich mehr Stickoxide in die Luft, weil weniger Harnstoff zur Abgasreinigung verwendet wurde. In der Folge musste VW Millionen Fahrzeuge in den USA zurücknehmen und ersetzen. In Deutschland musste nachgerüstet werden. Der Konzern hat insgesamt rund 33 Milliarden Euro zurückgestellt, um die Folgen des Skandals tragen zu können. Zahlreiche Manager, darunter der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler, müssen sich noch vor Gericht verantworten. Die EU änderte im Zuge des Skandals den Autotestzyklus. Seither muss im realen Straßenbetrieb gemessen werden.

Bisher, so schien es, war vor allem der VW-Konzern illegal vorgegangen. Hinweise auf Abgasmanipulation gab es auch bei anderen Herstellern wie Daimler und Fiat, die das von sich wiesen. Die jetzt veröffentlichten Unterlagen zeigen ein anderes Bild. Demnach waren auch Hersteller, die bisher nicht in den verschiedenen Prozessen auftauchten, Kunden für Boschs technische Lösungen. Erwähnt werden unter anderem auch Toyota, PSA (Peugeot, Citroen, heute Stellantis), Hyundai, Honda, Ford, Fiat.

Am 14. September 2006 trafen sich den Papieren zufolge Vertreter von Audi, BMW, Daimler VW, um über SCR-Funktionen zu reden. SCR bezeichnet die Abgasbehandlung mit Harnstoff (AdBlue) bei Dieselfahrzeugen, um Stickoxidmengen zu verringern. „Die vorgeschlagene Adaption ist eine abgestimmte (VW, Audi, DC und BMW) Basis“, heißt es in dem Papier zu einem Punkt. BMW hat den Einsatz derartiger Methoden bisher immer dementiert.

Unterlagen der Staatsanwaltschaft Stuttgart übergeben

Drei Jahre später ist in einer Präsentation von „Alternativer Vorsteuerung“ die Rede. Dort wird auch eine zusätzliche „Akustik Funktion“ erwähnt, „welche zwischen Normalbetrieb und Abgasmeßzyklus unterscheiden kann.“ Und weiter: „Es besteht die Möglichkeit, dass diese Applikation Auswirkungen auf die Einhaltung behördlicher Vorschriften haben kann.“

In einer internen Vorlage vom 2. Oktober 2015, der Abgasskandal war da gerade knapp zwei Wochen alt, listet Bosch insgesamt 44 verschiedene Abschalteinrichtungen für Harnstoff auf, einige mit dem Hinweis versehen: „Reduzierung über Bauteilschutz hinaus“ oder „Mögliche Übertretung OBD-Vorschriften“. Die Liste legt auch nahe, dass nicht nur bei Diesel-, sondern auch bei Benzinmotoren getrickst wurde.

Die DUH hat die Unterlagen inzwischen der Staatsanwaltschaft Stuttgart übergeben. Bosch erklärte, die aufgebrachten Punkte seien nicht neu und allesamt aufgearbeitet. Das Verfahren gegen Bosch sei 2019 mit einem Bußgeldbescheid abgeschlossen worden. „Dabei hat die Staatsanwaltschaft festgestellt, dass die Initiative für Integration und Ausgestaltung von als unzulässig vorgeworfenen Softwarestrategien jeweils von Mitarbeitern anderer Unternehmen ausging.“ Bosch zahlte damals 90 Millionen Euro.

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