Westbalkanregelung läuft aus Baubranche ist gegen Visa-Deckelung

Düsseldorf · Der Bund will die Westbalkan-Regelung zur vereinfachten Einreise von Arbeitern verlängern. Aber ihre Zahl soll begrenzt werden. Die Baubranche fürchtet Personalmangel.

 Arbeitskräfte aus den Westbalkan-Ländern sind auf vielen deutschen Baustellen beschäftigt.

Arbeitskräfte aus den Westbalkan-Ländern sind auf vielen deutschen Baustellen beschäftigt.

Foto: dpa/Axel Heimken

Die Einreiseregeln für Arbeitskräfte vom Westbalkan sorgt für Unmut in der Baubranche. Bis Jahresende läuft die sogenannte Westbalkan-Regelung aus. „Allein in der Bauwirtschaft werden in den kommenden Jahren 150.000 der insgesamt 850.000 Beschäftigten altersbedingt ausscheiden. Das aufzufangen wird ein immenser Kraftakt“, warnt der Hauptgeschäftsführer der Bauverbände NRW, Hermann Schulte-Hiltrop.

„Würden dann zusätzlich auf einen Schlag die 52.000 Arbeitskräfte wegfallen, die dank der Westbalkan-Regelung bei uns sind, würde sich die Lage gefährlich zuspitzen. Dann reden wir ab 2021 über Ausfälle bis hin zum Stillstand auf einigen Baustellen im Bereich des Wohnungsbaus.“

Der Bund will die Regelung bis Ende 2023 verlängern. Eine entsprechende Verordnung hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereits in die Ressortabstimmung mit den Ministerien gegeben. Sie soll im September ins Kabinett kommen und muss anschließend noch vom Bundesrat abgesegnet werden.

Regelung seit 2016

Die Regelung erlaubt es Nicht-EU-Bürgern aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien, auch ohne besondere Qualifikationen in Deutschland zu arbeiten. Insbesondere Arbeitgeber im Baugewerbe und im Gastgewerbe nutzten die seit 2016 bestehende Möglichkeit. Bis Ende 2019 hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) mehr als 200.000 Mal ihre Zustimmung zu der Beschäftigung von Menschen aus dem Westbalkan erteilt. Die Zustimmung der BA ist Voraussetzung für ein Arbeitsvisum, das die deutschen Visastellen in den sechs Ländern erteilen. Bevor die BA zustimmt, prüft sie zunächst, ob nicht ein Deutscher oder ein EU-Bürger für eine Arbeitsstelle infrage kommt.

Deckelung bei 25.000 Visa pro Jahr

Die Zahl der Visa war bislang nach oben nicht begrenzt. Nun will die Koalition die Zahl jedoch auf 25.000 pro Jahr festschreiben. Das seien „etwas mehr als 90 Prozent der erteilten Visa im Jahr 2019“, heißt es in der Verordnung. Minister Heil entspricht damit einem politischen Kompromiss der Koalitionsfraktionen. Die Innenpolitiker der Unionsfraktion hatten zuvor Bedenken gegen eine Verlängerung der Regelung angemeldet, weil in der Corona-Krise die Arbeitslosigkeit in Deutschland wieder zunehme. Die Sozialpolitiker der Union hatten diese Bedenken jedoch überstimmt – vor allem auch wegen des nach wie vor großen Arbeitskräftebedarfs am Bau.

„Die Westbalkan-Regelung hat sich bewährt. Insofern ist es gut, dass wir jetzt eine Anschlussregelung finden“, sagte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe. „Die Verlängerung der Westbalkan-Regelung bis Ende 2023 ist trotz der Corona-Krise vertretbar“, sagte auch Peter Weiß (CDU), der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion.

Die Baubranche begrüßte zwar die Verlängerung, Schulte-Hiltrop nannte die Deckelung aber „völlig unverständlich“: „Es geht um Tätigkeiten, für die Sie bei uns niemanden finden – etwa Eisenflechter.“

Auswärtiges Amt stellt weniger Visa aus

Derweilen stoppt die Corona-Krise den Zuzug aus dem Westbalkan. Das Auswärtige Amt hat im ersten Halbjahr 4801 entsprechende Visa ausgestellt. Das geht aus einer Übersicht des Außenministeriums hervor. 2019 waren es 27.259 Visa, die im Rahmen der Westbalkan-Regelung erteilt wurden. Die geringe Zahl ist auf Reisebeschränkungen, Flugverbote und sonstige Einschränkungen des öffentlichen Lebens in den Herkunftsländern zurückzuführen.

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