Offener Brief Betriebsräte attackieren Siemens-Chef

München · Siemens will tausende Jobs streichen und plant Standortschließungen. Das bringt die Arbeitnehmervertreter gegen Konzernchef Kaeser auf. Sie suchen Hilfe auch bei der Familie des Firmengründers.

 Aufgebrachte Siemens-Mitarebeiter haben an den Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser appelliert.

Aufgebrachte Siemens-Mitarebeiter haben an den Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser appelliert.

Foto: Tobias Hase

Die Siemens-Betriebsratsvorsitzenden haben Konzernchef Joe Kaeser wegen der geplanten Einschnitte in zwei Sparten Verantwortungslosigkeit vorgeworfen.

Kaeser spreche öffentlich über Elitenversagen und Grundeinkommen, lasse aber "gegenüber den eigenen Beschäftigten die oft zitierte Verantwortung außer Acht", hieß es in einem Offenen Brief der Arbeitnehmervertreter an Aufsichtsratsmitglied Nathalie von Siemens und die Familie von Siemens, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. "Wir als ArbeitnehmervertreterInnen fragen uns: Geht man so mit Menschen um, die jahrelang unermüdlich Einsatz für das Unternehmen gezeigt haben?"

Der Konzern will in der Kraftwerks- und der Antriebssparte weltweit 6900 Arbeitsplätze streichen, davon etwa die Hälfte in Deutschland. Auch mehrere Standorte stehen auf der Kippe, darunter Görlitz und Leipzig. Mittlerweile laufen erste Gespräche der Arbeitnehmervertreter mit dem Management. Am Montag hatte Kaeser den Betriebsrat zu Verhandlungen über die Pläne aufgefordert.

In dem Brief appellierten die Arbeitnehmervertreter nun an die Siemens-Familie: "Helfen Sie uns, die Standortschließungs- und Personalabbaupläne vom Tisch zu bekommen!" Es gelte, mit Investitionen und Innovationen in zukunftsweisende Produkte Standorte und Beschäftigung zu sichern. Das Grundverständnis, dass eine Familie besonders in schwierigen Zeiten zueinander halten solle, scheine "in der "Siemens-Familie" dem Druck der Märkte zu weichen", so die Betriebsratsvorsitzenden. "Diese Entwicklung verleiht extremen Kräften Rückenwind und vertieft die soziale Spaltung."

Am Vortag hatte Kaeser mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) über die Pläne gesprochen. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen beide von einem guten und konstruktiven Dialog, in dem "beide Seiten Verständnis für die Rahmenbedingungen von Wirtschaft und Politik geäußert" hätten.

Es habe Einigkeit darüber bestanden, dass der Strukturwandel im Energiebereich und die Digitalisierung der Industrie nicht nur die Unternehmen, sondern alle Menschen und Institutionen in Deutschland vor große Herausforderungen stellten. Die Chancen des Strukturwandels überwögen jedoch, wenn sie entschlossen gestaltet würden.

Mit Blick auf den Standort Görlitz, wo 720 Menschen für Siemens arbeiten, habe Kaeser seine Bereitschaft wiederholt, alle Optionen gemeinsam mit Bundes- und Landesregierung zu prüfen, um den Menschen und der gesamten Region eine Perspektive zu geben. "Dazu zählt auch die Möglichkeit eines Zukunftsfonds, mit dessen Hilfe die digitale Transformation gestaltet werden kann", hieß es.

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