Forderung nach Mindeststandards Bewertungen im Internet sind häufig manipuliert

München · Bewertungen sind im Internet schon fast zur Währung geworden. Verbraucherschützer fordern Mindeststandards für Vergleichsportale im Internet.

 Nicht glaubhaft: Ob Bewertungen im Internet der Wahrheit entsprechen, können Nutzer in der Regel nicht erkennen.

Nicht glaubhaft: Ob Bewertungen im Internet der Wahrheit entsprechen, können Nutzer in der Regel nicht erkennen.

Foto: picture alliance / dpa Themendie

Fast jeder tut es. Wer einen guten Arzt sucht, ein angenehmes Hotel buchen oder eine preiswerte Kfz-Versicherung kaufen will, geht auf Vergleichsportale im Internet und wirft einen Blick auf die Bewertungen anderer Verbraucher. Die Wirkung ist immens. „Bewertungen sind im Internet schon fast eine Währung geworden“, bringt es Rene-Christian Effinger auf den Punkt. Das schaffe klar Anreize zur Manipulation mittels gefälschter Bewertungen, stellt der Vizechef der Verbraucherzentrale München klar. Die Frage, inwiefern Bewertungsportale etwas gegen solche Praktiken unternehmen, rührt deshalb an den Grundfesten der Glaubwürdigkeit dieser Internetplattformen. Die Marktwächter „Digitale Welt“ sind ihr in einer ausführlichen Studie nachgegangen.

Diese in München angesiedelte Verbraucherschutzeinheit kümmert sich bundesweit um die modernen Fallstricke und Tücken der Digitalwirtschaft. „Es gibt Defizite“, kritisiert Susanne Langenohl dezent. Die Verbraucherschützerin vom Marktwächterteam ist Mitautorin der Studie. Befragt wurden dazu Verantwortliche von neun Bewertungsportalen und Internetshops mit Bewertungsfunktion. Das Fazit ist, es gibt wirksame Methoden zum Herausfiltern gefälschter Meinungen. Sie werden aber nicht immer genutzt.

Vorbildlich wäre es, wenn Portale dazu Algorithmen einsetzen, Verbraucher zum Melden fragwürdiger Bewertungen mittels Missbrauchsmeldefunktion animieren und eigenes Personal zum Aufspüren einsetzen, sagt Langenohl. Solche Portale nennt sie gewissenhaft. In der Studie konnte ein Drittel belegen, so zu handeln. Am anderen Ende der Skala steht mit den „Zurückhaltenden“ ein weiteres Drittel. Man könnte auch sagen, dass diesem Drittel ziemlich egal ist, ob die Bewertungen auf ihren Seiten echt oder getürkt sind. Das letzte Drittel liegt irgendwo dazwischen, wobei Langenohl klar ist, dass diese Verteilung kaum repräsentativ ist.

Nur anonyme Antworten der Portale

Auf die Fragen der Verbraucherschützer geantwortet haben Portale ohnehin nur mit der Zusicherung, anonym zu bleiben und nicht namentlich genannt zu werden. Selbst auf dieser Basis habe sich aber wohl nur eine positive Grundauswahl derer gestellt, die vergleichsweise korrekt mit Bewertungen umgehen, schätzt Langenohl. Aus ihrer Sicht drängt das Problem.

So sieht das auch Verbraucherschutzkollegin Tatjana Halm. „Man muss Kriterien dafür schaffen, wie Portale gefälschte Bewertungen herausfiltern und darf das nicht dem Markt überlassen“, fordert die Juristin. Der Ruf nach Mindeststandards dafür habe mittlerweile auch den deutschen Bundestag und die Politik erreicht. Man müsse staatliche Regulierung ernsthaft diskutieren.

Klaus Hufnagel und Rainer Hofmann widersprechen. Ersterer ist Geschäftsführer des zusammen mit Check24 marktführenden Vergleichsportals Verivox, letzterer Leiter des Eco-Verbands der Internetwirtschaft. Beide räumen Handlungsbedarf grundsätzlich ein, plädieren aber für Selbstverpflichtungen statt staatlichem Zwang. Dafür, freiwillig aktiv zu werden, sorge schon die Gefahr, den eigenen Ruf zu verlieren. „Das Vertrauen von Verbrauchern ist das größte Regulativ“, sagt Hufnagel. Kollege Hofmann bringt eine Beschwerdestelle ins Spiel, mit der die Wirtschaft andernorts gute Erfahrung mache.

Algorithmen bleiben geheim

Verbraucherschützer bleiben skeptisch. Das beginnt schon mit den Algorithmen, die gefälschte Bewertungen herausfiltern. „Die sind geheim wie die Rezeptur von Coca-Cola“, sagt Langenohl. Nicht einmal die auskunftsfreudigsten Portale hätten diese Software offengelegt und sie damit in ihrer Wirksamkeit überprüfbar gemacht, rügt sie. Ein Missbrauchsbutton, der Verbraucher zum Melden verdächtiger Bewertungen animiert, sei schon bei den Studienteilnehmern eine Seltenheit gewesen. Fragwürdig seien zudem verbreitete Praktiken, Verbraucher zu Bewertungen zu ermuntern und dafür Gutscheine oder andere geldwerte Vorteile zu bieten, ohne solche Urteile als finanziell gesponsert zu kennzeichnen.

Derzeit könnten Verbraucher jedenfalls nur schwer oder gar nicht erkennen, ob ein Vergleichsportal mit Bewertungen seriös umgeht, sagt Langenohl. Informationen zu entsprechenden Prüfmechanismen finde man selten.

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