Steuerbetrug im großen Stil Neue Cum Ex-Prozesse in Bonn

Bonn · Vor der 9. und der 12. Großen Strafkammer müssen sich derzeit insgesamt drei Männer wegen schwerer Steuerhinterziehung verantworten.

Das Eingangsportal des Bonner Landgerichts.

Das Eingangsportal des Bonner Landgerichts.

Foto: dpa/Oliver Berg

Während im Erdgeschoss des Bonner Landgerichts der Verhandlungstag bereits nach anderthalb Stunden zu Ende war, hatten die beiden Staatsanwältinnen im altehrwürdigen Schwurgerichtssaal im Obergeschoss zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die Anklageschrift komplett verlesen: Vor der 9. und der 12. Großen Strafkammer haben am Montagvormittag gleich zwei neue Verfahren um die illegalen Cum-Ex-Geschäfte begonnen, dank derer dem Staat zwischen 2006 und 2013 über 400 Millionen Euro an Kapitalertragssteuer entgangen sein sollen.

Vor der 9. Großen Strafkammer muss sich ein 47-jähriger Back-Office-Mitarbeiter einer Asset-Management-Gesellschaft mit Sitz in London wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung in drei Fällen verantworten. Ihm wird zur Last gelegt, sich spätestens ab Herbst 2009 mit weiteren Mittätern zusammengeschlossen zu haben, um ab dem Jahr 2010 Cum-Ex-Geschäfte mit deutschen Aktienwerten durchzuführen. Der angeklagte Banker soll an Transaktionen beteiligt gewesen sein, durch die der deutsche Fiskus rund 92 Millionen Euro an Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag zu Unrecht zurückerstattet hatte.

Von der Rechtmäßigkeit überzeugt

Die ursprüngliche Anklage richtet sich gegen vier Mitarbeiter der Londoner Gesellschaft, die Verfahren der Mitangeklagten wurden aber abgetrennt und sollen demnächst getrennt verhandelt werden. Der Mann, der nun in Bonn vor Gericht steht, hat möglicherweise nicht den größten Tatbeitrag geleistet. Das jedenfalls sagte seine Verteidigung in einer kurzen Erklärung noch vor der Anklageverlesung: „Er hat keine bedeutende Rolle gespielt“, so der Anwalt. Außerdem sei er von der Rechtmäßigkeit seiner Tätigkeit überzeugt gewesen.

Ebenfalls keine führenden Rollen scheinen auch die beiden angeklagten früheren Warburg-Banker gespielt zu haben, die sich parallel eine Etage höher vor der 12. Großen Strafkammer verantworten mussten: Auch hier galt die Anklage zunächst vier Angeklagten; zwei von ihnen wurden bereits rechtskräftig verurteilt. Ein 63-jähriger ehemaliger Geschäftsführer von Warburg Invest, einem Tochterunternehmen der Hamburger Privatbank M. M. Warburg, wurde im Februar vergangenen Jahres wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Noch eine Stufe höher in der Bankenhierarchie stand ein heute 79-Jähriger, der als rechte Hand von Warburg-Mitinhaber Christian Olearius galt. Wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen war der Mann im Sommer 2021 zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Auch im aktuellen Verfahren gegen die beiden früheren Warburg-Banker fiel der Name Olearius des Öfteren: Der Bankenchef soll nach dem Willen der Kölner Staatsanwaltschaft nämlich demnächst ebenfalls wegen Steuerhinterziehung in Bonn vor Gericht stehen. Eine Anklage wegen schwerer Steuerhinterziehung liegt bereits seit Anfang Juli vergangenen Jahres vor. Weil sich bei der zuständigen 13. Großen Strafkammer aber auch nicht aktenkundig gemachte Unterlagen befanden, die in einem der beiden bereits abgeschlossenen Verfahren für den internen Gebrauch erstellt worden waren, wurde der Vorsitzende Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgesetzt und mittlerweile durch eine Kollegin ersetzt. Ans Licht war der Vorfall nur gekommen, weil sich die internen Vermerke offenbar versehentlich auch auf einem Datenstick befanden, den das Landgericht der Verteidigung Olearius‘ zugesandt hatte. Alle bislang abgeschlossenen Cum-Ex-Verfahren waren vor der 12. Großen Strafkammer unter dem Vorsitz von Roland Zickler verhandelt worden.

Eine Steilvorlage, die die Anwälte in dem aktuellen Verfahren nutzen, um nun auch Zickler wegen Befangenheit abzulehnen: Mit einer ganzen Welle von Ablehnungsgesuchen, Besetzungsrügen sowie der Ablehnung von Bonn als Verhandlungsstandort versucht die Verteidigung derzeit eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Im Kern bemängeln die Anwälte, dass durch die Bündelung der Cum-Ex-Verfahren am Bonner Landgericht keine fairen Verfahren mehr möglich seien. Sollten die Anträge und Beschwerden der Verteidigung aber zurückgewiesen werden, beginnt mit dem nächsten Verhandlungstag am 30. März die Beweisaufnahme.

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