Wegen Corona-Ausbruch bei Tönnies Bauernverband warnt vor Preisverfall beim Schweinefleisch

Rheda-Wiedenbrück · Weil der Schlachtbetrieb Tönnies geschlossen ist, finden die Landwirte keine Abnehmer. Der Bauernverband warnt nun vor einem Preisverfall beim Schweinefleisch. Die SPD beantragt eine Sondersitzung des Umweltausschusses.

 Weil der Schlachtbetrieb Tönnies geschlossen ist, finden die Landwirte keine Abnehmer. Der Bauernverband warnt nun vor einem Preisverfall beim Schweinefleisch. 

Weil der Schlachtbetrieb Tönnies geschlossen ist, finden die Landwirte keine Abnehmer. Der Bauernverband warnt nun vor einem Preisverfall beim Schweinefleisch. 

Foto: dpa/Patrick Pleul

Wenn ein Mastschwein sechs Monate alt ist, wiegt es zwischen 110 und 120 Kilogramm. Das Schwein gilt dann als schlachtreif. Wird das Tier zu lange gemästet, dann steigt der Fettanteil. Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft schreibt auf seiner Website: „Das bedeutet aber Abzüge bei der Bezahlung, denn Fleisch mit einem erhöhten Fettanteil ist bei Verbrauchern nicht gefragt.“

In Deutschland liegt die Zahl der schlachtreifen Schweine, die nicht geschlachtet werden können, laut dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband derzeit bei etwa 210.000. Tönnies, der größte Schlachtbetrieb Deutschlands, ist seit dem massiven Corona-Ausbruch vor drei Wochen geschlossen. Die Landwirte bleiben deswegen auf den Schweinen sitzen – 70.000 pro Woche. Von einem „Schweine-Stau“ ist die Rede, was ulkig klingt. Aber es ist ein ernsthaftes Problem für die Schweine-Bauern.

Negative Preisentwicklung

Sie fürchten, dass die Schlachtschweine nun billiger werden. Es zeichne sich eine negative Entwicklung bei den Preisen ab, heißt es vom Bauernverband. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, ärgert sich darüber. Unserer Redaktion sagte er: „Es kann nicht sein, dass Landwirte jetzt die Suppe auslöffeln müssen, die ihnen die Fleischwirtschaft eingebrockt hat.“ Die Probleme in der Fleischwirtschaft ließen sich nicht durch Preisdrückerei lösen, „sondern nur durch das konsequente Umsetzen von Hygieneauflagen, damit Schlachtung und Zerlegung wieder in Gang kommen“, so Krüsken.

Albert Rohlmann hat einen Schweinemastbetrieb in Hörstel bei Rheine. 4800 Schweine mästet er dort zur Schlachtreife, 250 davon verkauft er durchschnittlich in der Woche, vor allem an Tönnies. Nun bekommt er ein Platzproblem auf seinem Hof. Die Ferkel bekommt Rohlmann weiterhin von einem Sauenhalter. „Wir können das System nicht anhalten wie die Automobilbranche“, sagt er. Wenn man heute aufhöre, die Sauen zu besamen, dann würde sich die Lage erst in einem halben Jahr entspannen, sagt Landwirt Rohlmann.

Doch nicht nur der Platz im Stall wird knapp, weil die Schweine immer älter und größer werden, auch wirtschaftlich wird die Lage für Landwirte wie Albert Rohlmann nach eigenem Bekunden ernst. 5000 Euro gingen ihm jede Woche verloren, sagt Rohlmann. Schuld daran sei nicht nur der erhöhte Fettanteil der Tiere, sondern vielmehr das Preissystem in der Branche. Weil es festgelegte Gewichte gebe, sinke der Preis, wenn ein Schwein die Grenze überschreite.

Der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands, Hubertus Beringmeier, sagt: „Wir produzieren keine Schrauben, die man einfach stapeln kann.“ Die Politik solle schnellstmöglich klar formulieren, welche Ansprüche sie an eine Wiedereröffnung der Schlachthöfe stellt. Die Gesundheit der Mitarbeiter habe zwar Priorität, aber drei Wochen nach Schließung der Tönnies-Fabrik müsse die Frage erlaubt sein, warum immer noch nicht klar ist, wann der Betrieb wieder aufgenommen wird – zumindest schrittweise, so Beringmeier. Notschlachtungen werde es aber nicht geben. Das lasse das Tierschutzgesetz gar nicht zu. „Wir produzieren ein hochwertiges Lebensmittel Fleisch.“

Die Bundestierärztekammer warnt unterdessen vor tierschutzrelevanten Problemen, die durch die vollen Höfe entstünden. So sei etwa durch die höhere Belegung der Ställe bei sommerlichen Temperaturen nicht auszuschließen, dass mehr Tiere verenden. Die Kammer fordert die Bundesregierung auf, umgehend einen Krisengipfel zu dem Thema einzuberufen. Auch der NRW-Landtag wird sich womöglich noch mit der Situation der Mastschweine befassen. Die SPD beantragte eine Sondersitzung des Landwirtschaftsausschusses. André Stinka, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte: „Die Landwirte beklagen sich zurecht.“

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