Urteil wegen Steuerhinterziehung Dreieinhalb Jahre Haftstrafe im dritten Bonner Cum-Ex-Verfahren

BONN · Vor der 12. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht wurde am Mittwochvormittag ein Urteil im dritten CUm-Ex-Verfahren gesprochen. Der angeklagte Banker wurde wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Verteidigung wollte eine Bewährungsstrafe.

 Der Angeklagte mit seinen Anwälten im Bonner Landgericht. 

Der Angeklagte mit seinen Anwälten im Bonner Landgericht. 

Foto: Benjamin Westhoff

Vor der zwölften Großen Strafkammer am Bonner Landgericht ist am Mittwochmorgen das Urteil im dritten Cum-Ex-Verfahren gesprochen worden. Der angeklagte Banker, ein 63-jähriger ehemaliger Geschäftsführer von Warburg Invest, einem Tochterunternehmen der Hamburger Privatbank M. M. Warburg, wurde wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Mit den beiden in den Jahren 2009 und 2010 aufgelegten Fonds BC German Equity und BC German Hedge trug der 63-Jährige nach Überzeugung des Gerichts dazu bei, den Fiskus um insgesamt rund 109 Millionen Euro zu erleichtern. Die Verbrechen trügen viele Merkmale Organisierter Kriminalität. Der Angeklagte sei ein Rad im Getriebe der Cum-Ex-Geschäfte der Hamburger Privatbank gewesen, bei dessen Wegnahme das System zusammengebrochen wäre, hatte der Vorsitzende Richter Roland Zickler in der Urteilsbegründung die Rolle des 63-Jährigen auf den Punkt gebracht. Er habe sich zwar nicht selber bereichert, habe aber dennoch von der Beteiligung profitiert: Seine Karriere wäre ziemlich sicher zu Ende gewesen, wenn er sich den Wünschen der Bankenspitze um Christian Olearius und den Berater Hanno Berger widersetzt hätte, sagte der Angeklagte dem Gericht im Laufe des Verfahrens.

Gericht ist im Grundsatz der Staatsanwaltschaft gefolgt

„Die Beiträge des Angeklagten waren in beiden Fällen auch nicht ersetzbar“, fuhr Zickler in der Urteilsbegründung fort: „Wenn er gesagt hätte ‘Nein, ich unterschreibe das nicht‘, wäre kein anderer eingesprungen.“ Ein Austausch hätte ohnehin zu einer zeitlichen Verzögerung geführt, die nicht mehr einzuholen gewesen wäre. „Damit hatten Sie es in der Hand, die Sache anzuhalten oder weiterlaufen zu lassen“, sagte Zickler und wandte sich direkt an den Verurteilten. Er habe Repressionen aus dem Kreis der Gesellschafter befürchtet. „Darin sehen wir ein Tatinteresse.“

Im Grundsatz ist das Gericht mit seiner Entscheidung der Sichtweise der Staatsanwaltschaft gefolgt: Die war in ihrem Plädoyer nämlich, genau wie nun auch die Kammer, davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte nicht nur, wie von der Verteidigung vorgebracht, der Beihilfe schuldig gemacht hat, sondern einen wichtigen Tatbeitrag leistete. Die Verteidigung hat viele Argumente vorgebracht, warum es sich bei der Rolle des Angeklagten um Beihilfe gehandelt haben soll. „Das sehen wir anders“, so Zickler. Die Ankläger hatten allerdings eine deutlich höhere Strafe gefordert, unter anderem, weil sie in beiden Fällen vorsätzliches Handeln sahen. Das sei zwar grundsätzlich nachvollziehbar, das Gericht habe aber letztlich nicht ausschließen können, dass es sich bei der Beteiligung am Aufsetzen des ersten Fonds 2009 nur um einen bedingten, sogenannten Eventualvorsatz, gehandelt haben könnte. Das sei die geringste Form des Vorsatzes und für diese Einschätzung spreche, dass der Angeklagte in seinem Geständnis mit den Worten „Störgefühl“ oder „Unbehagen“ beschrieben hatte, was er bei der Umsetzung der Organisation der Fonds empfunden habe.

Zickler: Keine Bewährung mehr angemessen

Das habe sich aber im folgenden Jahr geändert: Nun gebe es viele Punkte, die klar zeigten, dass er wusste, was er tat. Bei der Strafzumessung orientierte sich das Gericht an der sogenannten Millionenrechtssprechung: Im Regelfall sei hier keine Bewährung mehr angemessen, so Zickler. Das sei zwar keine fixe Regel, gebe aber die Denkrichtung vor. Mit 60,62 Millionen Euro sei die Grenze zu einem schweren Fall, die bei 50 000 Euro liegt um das 1200-Fache im ersten und mit 48,79 Millionen um das 975-fache im zweiten Fall überschritten. „Festzustellen war, ob unrechtmäßig Steuervorteile erlangt worden sind“, so Zickler. Und das sei unzweifelhaft so gewesen.

Bei den Cum-Ex-Geschäften wurden mithilfe von Depotbanken Erstattungen von Steuern beantragt, die zuvor nicht gezahlt worden waren. Diese grundsätzliche Einschätzung, die Zicklers Kammer schon mit dem ersten Cum-Ex-Urteil gegen zwei britische Banker aus dem März 2020 vertreten hatte, ist mittlerweile auch vom Bundesgerichtshof bestätigt worden. Viele Bemühungen diese Entscheidungen mit juristischem Sachverstand umzudeuten, seien inzwischen Makulatur, so der Vorsitzende weiter.

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