Kennzeichnung auf Produkt Danone bringt Lebensmittelampel nach Deutschland

Berlin · In Frankreich gibt es schon eine Kennzeichnung auf Danone-Produkte: Dickmacher bekommen ein rot, Gesünderes ein Grün. 2019 kommt die Lebensmittelampel auch nach Deutschland.

Die Reklame des Discounters Netto schmeckt nicht jedem. Im Bild: Zuckerkristalle auf schwarzem Untergrund, geformt zu schmalen Linien ähnlich den berüchtigten Kokain-Lines. Dazu der Satz: „Das weiße Zeug tut dir nicht gut!“ Daraufhin ätzte die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker in der „Lebensmittelzeitung“ mit einer ganzseitigen Anzeige: „Dealer gesucht? Dann geh doch zu Netto!“ Und weiter: „Lebensmittel und Drogen auf eine Stufe zu stellen schadet. Allen.“

So oder so – die Werbung steht für ein Umdenken bei Supermärkten, aber auch bei Herstellern. Die Ersten geben ihren Widerstand gegen einen neuen Umgang mit dem billigen Zucker, auch mit Salz und Fett auf. Danone, einer der größten Lebensmittelproduzenten weltweit, ist dabei jetzt vorgeprescht.

Das französische Unternehmen bringt Schritt für Schritt ab 2019 als Erster Joghurt, Pudding, seine 70 verschiedenen Molkereiprodukte mit einer Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben ins deutsche Kühlregal. Das Prinzip: Dickmacher bekommen ein rot, Gesünderes ein Grün – je nach Gehalt an Fett, Salz und Zucker.

Briten hatten schon vor zehn Jahren eine Ampel empfohlen

Schon lange wird in der Europäischen Union über eine leicht verständliche Kennzeichnung von Zucker, Salz und Fett gestritten. Das Vorbild: Die Nährwertampel, die die britische Lebensmittelbehörde FSA vor gut zehn Jahren empfohlen hat. Der Gehalt an Fetten, gesättigten Fetten (meist aus tierischen Lebensmitteln), Zucker und Salz bekommt dabei ein Grün, Gelb oder Rot. Er bezieht sich auf den Wert pro 100 Gramm oder 100 Milliliter. Das Zuckerfeld wird zum Beispiel rot, wenn ein Produkt mehr als 15 Prozent Zucker enthält. Ähnlich ist das bei Fett oder Salz.

Bislang scheiterte das Modell aber in den EU-Gremien. Die Kritiker sorgten sich mal um den naturtrüben Bioapfelsaft, mal um das italienische Olivenöl. Die eine Flasche bekäme wie jeder Saft Rot wegen zu viel Zucker, die andere wie alle Ölsorten wegen hohen Fettgehalts. Vor allem passte der Industrie der Vorstoß nicht.

Danone arbeitet bei der neuen Kennzeichnung nun zwar nicht mit dem britischen Original, sondern dem französischen Nutri-Score- System. Auffälligster Unterschied: Die Bewertung beschränkt sich dafür nicht auf Grün, Gelb, Rot, sondern hat fünf Stufen, ergänzt durch Buchstaben: Vom grünen A für günstige Nährwerte bis zum roten E für lieber die Finger davon lassen. Ein rotes E bekommt Danone dabei für keins seiner Produkte, sie rangieren zwischen A und D.

Schon 60 Firmen mit Ampel in Frankreich

Dahinter steckt auch ein von unabhängigen Wissenschaftlern entwickeltes Punktesystem. Die französische Regierung hat es im vergangenen Jahr eingeführt hat. Ohne Pflicht. Diese kann nur EU-weit geregelt werden. Trotzdem drucken in Frankreich schon 60 Firmen die Ampel auf ihre Verpackungen – wie Danone auch.

Dass Danone das Modell nun nach Deutschland exportiert, sei „ein erster Schritt“, sagt Sophie Herr, Lebensmittelexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, dem vzbv. Eine echte Einkaufshilfe sei die Nährwertampel allerdings nur, wenn sie auf jedem verarbeiteten Lebensmittel zu finden ist. Herr fordert: „Andere Hersteller müssen nachziehen – aber nicht mit immer neuen Kennzeichnungen. Wir brauchen eine einheitliche Lösung.“

Allein, danach sieht es nicht aus. Zu den größten Lebensmittelherstellern gehören Nestlé, Mondelez oder Unilever. Alle drei verweisen auf Nachfrage dieser Zeitung auf ein eigenes System der Industrie, „Evolved Nutrition Labelling“ genannt, kurz: ENL. Dieses solle „nun in ausgewählten europäischen Ländern“ getestet werden, schreibt Nestlé. Entscheidend: Die Firmen legen ihrer Bewertung Portionsgrößen zu Grunde, nicht die einheitlichen 100 Gramm – mit besonderem Effekt.

Industrie lässt Produkte gesünder aussehen, als sie sind

Zwar erklärt Mondelez: „Wir glauben, dass es wichtig ist, die Verbraucher mit einer leichter verständlichen Nährwertkennzeichnung zu unterstützen, die ihnen helfen kann, den Gesamtnährwert einer Portion – sei es ein Keks, ein Stück Schokolade oder ein Kuchen – zu erkennen.“ Und Unilever argumentiert, so werde der „tatsächliche Beitrag einer Portion an der Gesamtnährwertaufnahme besser reflektiert“.

Das Gegenteil sei aber richtig, meint Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Verbraucher würden „getäuscht, irregeführt“. Das Industriemodell lasse Produkte gesünder aussehen, als sie seien. Selbst die Nutella-Nuss-Nougatcreme, die zu fast 90 Prozent aus Zucker und Fett bestehe, bekäme keine rote Ampel, sagt er. Die Industrie dürfe sich ihre Ampel nicht selbst ausdenken, „da kommt nichts Gutes raus“.

Macht Zucker denn wirklich abhängig wie Kokain? „Das ist bisher nicht belegt“, sagt Huizinga. „Aber zu viel Zucker, vor allem aus Limos, fördert Karies und Übergewicht. Soviel ist sicher.“ Darum brauche es ein eindeutiges Stoppsignal.

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